Bei einer Debatte geht es darum, wer die besseren Argumente hat. So war es zumindest, bis die sogenannte politische Korrektheit Einzug in die demokratischen Gesellschaften erlangt hat. In der heutigen Debattenkultur geht es um andere Dinge. Es geht darum, mit seinen Argumenten und Fakten niemanden zu verletzen.
Nicht ob eine Aussage sachlich, sondern ob sie moralisch richtig ist, entscheidet darüber, wie sie öffentlich bewertet wird; ja ob sie überhaupt öffentlich vorgetragen werden darf. Im Studentenparlament der Humboldt-Universität zu Berlin gibt es neuerdings noch ein weiteres Kriterium: das Geschlecht desjenigen, der das Argument vorträgt.
Männliche Debattenbeiträge als Zeitverschwendung
Die Berliner Studenten haben sich selbst eine neue Regel auferlegt. Jede Debatte soll sofort beendet werden, wenn sich keine Frauen mehr zu Wort melden. „Harte Quotierung“ nennen sie das. Den Studenten, die an dieser Stelle vermutlich lieber „Studierende“ genannt werden würden, geht es darum, die Gleichberechtigung zu stärken. Sie wollen dafür sorgen, daß Männer in einer Diskussion nicht mehr reden als Frauen. Mal ganz davon abgesehen, daß dies, wenn man die reale Welt hier als Maßstab nehmen kann, nur äußerst selten vorkommen dürfte, steckt hinter dem absurden Beschluß aber noch deutlich mehr.
So gab es innerhalb der feministischen Bewegung schon immer einen radikalen Flügel, der der Meinung war, daß das Patriarchat nur durch ein Matriarchat vollends überwunden werden könne. Zudem ist hier eine Generation am Werk, die von Kindesbeinen an eingetrichtert bekam, daß Mädchen reifer als Jungen und Frauen klüger als Männer seien.
Aus dieser Perspektive hat die neue Regel absolut Sinn. Ein Thema, zu dem sich nur noch Männer äußern, kann vermutlich so wichtig nicht sein. Wenn es doch etwas Wichtiges dazu zu sagen gibt, dürften es die Frauen bereits gesagt haben. Jede weitere Debatte wäre demnach nur eine fruchtlose Zeitverschwendung.
Geschlecht ist an der Humboldt-Universität ein soziales Konstrukt
Frustrierten männlichen Studenten, die so gar nicht schweigen mögen, haben aber doch noch eine Möglichkeit, sich jederzeit zu jedem Thema zu Wort zu melden. Das Sprechverbot gilt nämlich nur für „Cis-Männer“. Also Männer, die sich in ihrer Identität von der Biologie einschränken lassen.
Denn an der Berliner Uni ist das Geschlecht natürlich nur ein soziales Konstrukt. Nach den Statuten des Parlaments kann sich jeder selbst aussuchen, welchem Geschlecht er, sie oder es sich zugehörig fühlt.
Wir haben hier also einen jener – Pardon – „herrlichen“ Fälle, in denen sich verwirrte Ideologen im Wirrwarr ihrer eigenen Ideologien verfangen und selbst ein Bein stellen. Es ist wie bei einem dieser berühmten alten Slapstick-Sketche, bei dem jemand auf der Bananenschale ausrutscht, die er zuvor selbst im hohen Bogen weggeworfen hat. Man hat fast ein schlechtes Gewissen, weil man so schamlos dabei zusieht und sich das Lachen nicht verkneifen kann.
Generation Heulsuse wird auf die Barrikaden gehen
Ob das Redeverbot überhaupt Bestand haben wird, ist übrigens noch sehr fraglich. Der Berliner Senat erwartet nach rechtlicher Prüfung, daß die Präsidentin der Humboldt-Universität den Beschluß für unwirksam erklären wird. Zwischen dem, was Recht ist und dem, was man in den linksgrün indoktrinierten Köpfen der kommenden Generation für Gerechtigkeit hält, scheint offenkundig mal wieder eine tiefe Lücke zu klaffen.
Sollte der Beschluß des Universitätsparlaments tatsächlich aufgehoben werden, dürfte die Generation Heulsuse wohl massiv auf die Barrikaden gehen. Wer es dann wagt, als männlicher Student zu einer Sache zu sprechen, obwohl sich keine Frauen mehr zu Wort melden, dürfte sowieso den Haß der versammelten feministischen Parlamentarier ernten. Selbst wenn diese zu diesem Zeitpunkt nur noch von „Cis-Männern“ vertreten sein sollten.