Ihre Existenz und Einsatzbereitschaft legt Zeugnis ab von der Entschlossenheit einer Nation, ihre Souveränität zu verteidigen und ihre Interessen wahrzunehmen und durchzusetzen. Wer im Ernstfall nicht in der Lage ist, in eigener Hoheit oder gemeinsam mit seinen Verbündeten als Ultima ratio zu militärischen Mitteln zu greifen, wird über kurz oder lang in der Staatenwelt nicht mehr ernst genommen. Armeekrisen sind daher notwendig Staatskrisen.
1962 löste eine Spiegel-Reportage, die die Bundeswehr als nur „bedingt abwehrbereit“ darstellte, einen nationalen Skandal aus. Heute kann Hans-Peter Bartels (SPD), der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, öffentlich feststellen, die Bundeswehr sei als Ganzes „im Rahmen der kollektiven Verteidigung derzeit nicht einsetzbar“ – und erntet dafür kaum mehr als ein müdes Achselzucken.
Ein Trommelfeuer an Tatarenmeldungen über den desaströsten Zustand der deutschen Streitkräfte ist in diesen Wochen niedergegangen. Keines der ohnehin nur noch sechs Unterseeboote der Bundesmarine ist augenblicklich noch einsatzfähig. Der Marine, warnte Bartels kürzlich, „gehen die einsatzfähigen Schiffe aus“. Die neu bestellten F-125-Fregatten – nicht zu gebrauchen, ein Fehlplanungs- und Fehlbeschaffungsflop wie die Airbus-A400M-Transportmaschinen.
Flugstunden auf ADAC-Hubschraubern
Das Desaster zieht sich gleichmäßig durch alle Teilstreitkräfte. Die Eurofighter, Tornado-Kampfjets und CH-53-Transporthubschrauber der Luftwaffe sind im Schnitt nur vier Monate im Jahr einsatzbereit, die restliche Zeit bleiben sie für Reparatur, Instandsetzung oder Umrüstung am Boden. Die „Tiger“- und NH90-Hubschrauber wiederum leiden unter massiven technischen Ausfällen und Wartungsproblemen, die bereits Soldatenleben gekostet haben. Damit die Piloten trotz fehlenden Fluggeräts wenigstens ihre Fluglizenzen behalten, sollen sie ab März auf zivilen ADAC-Hubschraubern Übungsstunden absolvieren. Peinlicher läßt sich die mutwillige Demilitarisierung einer Armee kaum noch illustrieren.
Die Defizite an allen Ecken und Enden stehen in groteskem Kontrast zu den verteidigungspolitischen Luftschlössern und Pappkulissen, die die Politik munter weiter auftürmt. Mehr als ein Dutzend Auslandseinsätze hat die Bundeswehr bereits zu bestreiten. Bei den meisten sind nur einzelne oder eine Handvoll Kräfte im Einsatz, im ganzen gut dreieinhalbtausend Soldaten.
Damit ist die Truppe bereits bis übers Limit belastet. Trotzdem schreit die geschäftsführende Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen jedesmal übermütig „hier“, wann immer neue Aufgaben zu verteilen sind – ein Nato-Logistikzentrum hier, eine Ausweitung des Irak-Einsatzes da, und mehr Truppen für Afghanistan dürfen es auch gerne sein.
Bündnisfähigkeit durch Mangel fraglich
Dabei kann die Bundeswehr offenkundig selbst ihre laufenden Bündnisverpflichtungen nur noch mit Mühe erfüllen. Mit der Übernahme der Führungsrolle bei der schnellen Nato-Eingreiftruppe in Osteuropa ab 2019 droht die nächste Blamage: Die Panzerlehrbrigade 9 in Munster, die die Hauptlast tragen soll, hat von 44 benötigten Leopard-2-Kampfpanzern nur neun einsatzbereit, von 14 Marder-Schützenpanzern nur drei. Solche Verfügbarkeitszahlen erwartet man von der Operettentruppe einer Bananenrepublik, aber nicht von der Armee eines führenden Nato-Staates. Übrigens hakt es nicht nur am Großgerät, auch Einsatzverpflegung, Zelte, Schutz- und Winterbekleidung sind schon knapp geworden.
Ursula von der Leyen ist für den Niedergang einer einst respektierten Bündnisarmee nicht allein verantwortlich. Seit einem Vierteljahrhundert bedienen sich alle Bundesregierungen gerne an der vermeintlichen „Friedensdividende“ nach dem Ende des Kalten Krieges. Sparen an der Bundeswehr gibt keine großen Proteste, Geldausgeben fürs Militär ist wenig populär. Die politische Vernachlässigung schadet dem Image der Bundeswehr, das schlechtere Image ermuntert zu weiterer Vernachlässigung: ein Teufelskreis.
Die narzißtische Selbstdarstellerin von der Leyen hat dieses perfide Spiel auf die Spitze getrieben. Statt sich um Ausrüstungs- und Finanzierungsfragen zu kümmern, profiliert sie sich auf Kosten der Truppe mit Genderquatsch, Moscheebesuchen und „Vielfalt“-Seminaren, feuert bedenkenlos verdiente Kommandeure aufgrund medialer Latrinenparolen und hat mit ihrer absurden Säuberungskampagne gegen militärische Traditionen den Vertrauensverlust der Truppe in die politische Führung und die Schädigung des Ansehens der Armee in der Öffentlichkeit in neue, einsame Tiefen getrieben.
Debatte ist überfällig
Jeder einzelne dieser Skandale hätte die Ministerin längst den Kopf kosten müssen. Nach jedem neuen Bericht über die Nicht-Einsatzfähigkeit der Armee müßte es von Rechts wegen Rücktritte hageln bis in die politische Spitze. Daß die Armee-Zerstörerin von der Leyen ohne öffentliche Proteste nicht nur weiter als Ministerin gehandelt wird, sondern sogar als deutsche Kandidatin für den Posten des Nato-Generalsekretärs, spricht nicht zuletzt für das gestörte Verhältnis der Deutschen zum Militärischen.
Ein Land von der Größe und Lage Deutschlands kann sich solche Neurosen allerdings nicht leisten. Die Debatte ist überfällig: Welche Streitkräfte will Deutschland, welche Fähigkeiten zum Schutz legitimer nationaler Interessen über den Verfassungsauftrag der Landesverteidigung hinaus sollen sie haben? Danach muß sich ihre finanzielle Ausstattung bemessen. Die Finanzierung der Verteidigung hat unter den Staatsausgaben nicht letzte, sondern erste Priorität. Für die Armee eines Staates von der Wirtschaftskraft Deutschlands ist ein Wehretat von 37 Milliarden Euro nicht viel Geld. Für eine Truppe, die von der Politik lediglich als symbolpolitische Kulisse mißbraucht wird, ist es dagegen zuviel.
JF 9/18