Dresden, das ist so etwas wie die Hauptstadt von „Dunkeldeutschland“, mit entsprechend verschobenen Kräfteverhältnissen. Hier ist es die AfD, die zu einer Veranstaltung „Medien und Meinung“ einlud. Und hier waren es Medienvertreter, die sich auf fremdem Territorium bewegten. Umso mehr ist es dem Chefredakteur von ARD-Aktuell, Kai Gniffke, und dem Chefredakteur des ZDF, Peter Frey, anzurechnen, daß sie die Einladung annahmen. „Ohne Vorbedingungen“, wie Cato-Chefredakteur Andreas Lombard betonte, der gemeinsam dem Journalisten Klaus Kelle den Abend moderierte.
Den argumentativen Widerpart der Gesprächsrunde übernahmen der Schriftsteller und ehemalige Chef vom Dienst beim Focus, Michael Klonovsky, und der AfD-Politiker Nicolaus Fest, vormals stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag. Auch das Publikum war gewissermaßen als Sekundant der Vortragenden streng geschieden. Auf der einen Seite Vertreter der Presse, auf der anderen Anhänger der AfD, dazwischen eine Lücke. Im gewissen Sinne war diese Lücke auch Gesprächsthema, das Überwinden von Gräben.
Eine merkliche Spannung lag in der Luft, mit der beide Spitzenvertreter der öffentlich-rechtlichen Medien anders umgingen. Gniffke redete und redete und zeichnete das Bild einer Chefredaktion, wo knallhart recherchierende Journalisten strikt zwischen persönlicher Meinung und Berichterstattung trennen. „Wenn ein Architekt, der bei der AfD ist, ein Haus baut, so ist es doch egal, ob er das Haus für jemanden von der SPD oder für einen Parteifreund baut.“ Diese professionelle Haltung erwarte er von einem Journalisten, „sonst fliegt er“.
Zuhörer konnten sich ihren Teil denken
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Es wäre für Klonovsky oder Fest wohl leicht gewesen, die schnellgaloppierende Antilope zu stellen, in dem sie auf die Divergenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hingewiesen hätten. Allein, die beiden wollten das scheue Tier nicht verscheuchen. Zumindest Klonovsky bekannte später, „einen Eimer Kreide gefressen“ zu haben. So blieben beide bei einem behutsamen Kommentkampf, der Gniffke als Hüter qualitätsjournalistischer Produkte wie Tagesschau oder Tagesthemen einigermaßen unbeschädigt ließ. So konnte sich der Zuhörer seinen Teil denken.
Nun, vor genau drei Jahren hielt unweit des Veranstaltungsortes der Schriftsteller Akif Pirinçci eine Rede. Tatsachenwidrig wurde danach auch in der Tagesschau behauptet, Pirinçci habe in dieser bedauert, daß es keine Konzentrationslager mehr gebe. Wer derartiges einem Menschen unterstellt, obwohl es falsch ist, wie minimale Recherche gezeigt hätte – wie sahen da die personellen Konsequenzen aus? Wer ist da „geflogen“? Bisher hat diese Falschmeldung nämlich nur eine berufliche Existenz vernichtet, eben die von Pirinçci – dafür aber gründlich.
Frey bewegte sich dagegen mit der Selbstsicherheit eines Löwen, der in ein Wolfsrudel geraten ist. Zwar deplaziert, aber unbekümmert im Bewußtsein als Spitzenpredator. So ratterte er die verschiedenen Aufsichts-, Kontroll- und Lenkungsgremien herunter, welche die Öffentlich-Rechtlichen Medien zu den besten der Welt machen. Der Zuhörer hörte dagegen vor allem das Rattern einer Pumpe, die ihm das Geld aus der Tasche saugt. Die Frage Lombards, wie er denn „Rechtspopulismus“ definiere, überzeugte nicht.
„Es gibt auch das Recht auf Verzicht“
So griff Frey Klonovsky an, der in einer Aschermittwochsrede den amtierenden Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier als „Marionette“ bezeichnete. Dieses wertete Frey ernsthaft als rechtspopulistischen „Angriff auf das höchste Amt des Staates“. Es dürfte auch Frey bewußt sein, daß die Bezeichnung eines politischen Gegners als Marionette dahinterstehender Kräfte so alt wie die Demokratie sein dürfte – von Links wie Rechts benutzt, von ersteren gerne auch für AfD-Politiker.
Insofern war Gniffkes Vision unermüdlich am objektiven Bewußtsein des Weltgeistes werkelnder Arbeiter weitaus angenehmer. Zwar fiktiv, aber doch etwas Schönes zum Träumen. So ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, wie man ihn gerne hätte, wenn es ihn denn gäbe, diesen freien und unabhängigen Journalismus. Was es aber gibt, ist das Pflichtessen aus der Großküche. „Es gibt auch das Recht auf Verzicht“, bemerkte Frey. Zweifelsohne das wichtigste Recht im Umgang mit Medien.