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Kommentar: Deutschland wieder im Zweifrontenkrieg

Kommentar: Deutschland wieder im Zweifrontenkrieg

Kommentar: Deutschland wieder im Zweifrontenkrieg

Atlantikwall
Atlantikwall
Ferngeschütz am Atlantikwall, Aquarell von Hans Liska (1940): Laut deutschem Feuilleton ist es wieder soweit Foto: picture-alliance / akg-images
Kommentar
 

Deutschland wieder im Zweifrontenkrieg

Viel Feind, viel Ehr’. Nach der Trockenübung gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin steht seit der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten auch wieder die atlantische Front. Au weh, es geht wieder los. Wir sind zur Stelle, aber wo ist der Rest? Ein launiger Kommentar von Thomas Fasbender.
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Viel Feind, viel Ehr’. Nach der Trockenübung gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Mangels schwerem Gerät („Bundeswehr nur bedingt einsatzfähig“) im Sandkasten der Redaktionen stattfand, steht seit dem November 2016, seit der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten, auch wieder die atlantische Front.

Im Westen nichts Neues – das war einmal. O-Ton Klaus Brinkbäumer, seines Zeichens Spiegel-Chefredakteur: „Die deutsche Wirtschaft ist der Gegner der amerikanischen Handelspolitik, die deutsche Demokratie ist der weltanschauliche Gegner Trumps, und mitten in Deutschland helfen ihm Rechtsextreme.“

Dolchstoß durch die fünfte Kolonne

Man hört das Tremolo brechen, die Worte „deutsch“ und „Gegner“ wie vier Peitschenhiebe, und schließlich, in einem annähernd erstickten Nachsatz voll maßloser, unerhörter Empörung – der Dolchstoß, die fünfte Kolonne, die feigen Demokratieverräter (von der AfD). Vielleicht reißt man so die Spiegel-Leser mit. Oder die Volksgemeinschaft der Demokraten.

Vielleicht aber auch nur die Meinungsaristokratie in ihrer Regenbogenwelt, das bunte, turboaufgeklärte Völkchen, das da oben im Himmel über Berlin regiert und mit Sorgenfalten auf die Abgehängten blickt, die Verzagten und Verängstigten, die ihr Kreuzchen an die falsche Stelle setzen, hilflos ob der Komplexität und des Tempos der Zeit, restlos überfordert von der Globalisierung und vom hohen Anspruch demokratischer Meinungsbildung überhaupt.

Moralisch höher als alle anderen

Doch vergessen wir das „Pack“. Schließlich sind wir wieder wer. Kein Zonen-Niemand, kein besetztes Land – wir sind Demokratiedeutschland, Lichtdeutschland in aller Pracht, im vollen Wichs des 21. Jahrhunderts. Mit den Großen nicht nur auf Augenhöhe, sondern seit Trump und Putin mindestens eineinhalb moralische Handbreit höher.

In Moskau denkt man schon an Gegenwehr, wenn nicht gar an eine wiederaufgelegte Allianz mit der westlichen Führungsmacht. Trump werde der Bundeskanzlerin, so der oberste Propagandameister des Kreml, Dmitri Kisseljow, am Wochenende im russischen TV, „den deutschen Hochmut schon austreiben“.

Au weh, es geht wieder los

Deutschland ist im Westen angekommen, lautet das Mantra derer da oben im Himmel über Berlin. Im Westen angekommen nach tausendjähriger Reise von Aachen nach Königsberg und zurück. Und diesen Westen gilt es zu verteidigen. Spiegel-Brinkbäumer in Wochenschau-Moll: „Es ist an der Zeit, für das, was Bedeutung hat, einzustehen: Demokratie und Freiheit, den Westen und seine Bündnisse.“

Au weh, es geht wieder los. Eigentlich haben ja meine Datsche, meine Kinder und meine Frau, meine Freunde und der Hund viel mehr Bedeutung als der Westen und seine Bündnisse. Aber so kündigen sich die großen Zeiten an. Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich nur, hat Oscar Wilde herausgefunden. Und damit nicht unrecht gehabt.

Ein Volk macht immer die gleichen Fehler, auch wenn sie, Gott sei Dank, nicht immer die gleichen Folgen zeitigen. Es ist unser Schicksal: Ganz und gar deutsch, also ehrlich, gradheraus und nibelungentreu, steht die Nation zur jeweiligen Sache – und am Ende allzu oft allein auf weiter Flur.

Wir sind zur Stelle, wo ist der Rest?

So auch dieses Mal. Wir sind zur Stelle, aber wenn wir uns umsehen, wo ist der Rest? Theresa May, die britische Premierministerin, ist dem Neuen in Washington, dem Dunkel-Trump, schon kurz nach seinem Amtsantritt buchstäblich um den Hals gefallen. Perfides Albion. Denkt niemand an das große Ganze? Die Franzosen vielleicht? Marine Le Pen, Emmanuel Macron, Benoît Hamon, François Fillon? Die blicken schweigend drein, während das Kanzleramt die Achse Berlin-Moskau zersägt.

Schließlich steht Paris bereit, immer noch besser, als daß der ganze europäische Karren aus der Spur gerät. Und die Italiener? Beppo Grillo hält sich schon den Bauch. Für alle gilt: Wer sich mit Putin betten kann, der schnarcht auch neben Trump. Nur wir Deutsche sind anders, demokratische Prinzeßchen, auf deren Haut jede autoritäre Erbse Spuren von Schmach und Schande hinterläßt.

Die Wette gilt, wer hält dagegen: Die Brinkbäumers, die Einheizer und ideologischen Feldwebel ziehen auch dieses Mal den Kürzeren. Abgesehen davon, daß uns im Ausland sowieso niemand die Rolle des Lordsiegelbewahrers der Demokratie abkauft. Und Ausland heißt: westlich des Rheins und östlich der Oder. Dazu fehlt uns der „track record“. Auf deutsch: es fehlen die Referenzen. Bescheidenheit im Rechthaben und Besserwissen war noch nie unsere Stärke.

Ferngeschütz am Atlantikwall, Aquarell von Hans Liska (1940): Laut deutschem Feuilleton ist es wieder soweit Foto: picture-alliance / akg-images
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