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Drohende Visa-Freiheit: Eine Super-Migrationswaffe für die Türkei

Drohende Visa-Freiheit: Eine Super-Migrationswaffe für die Türkei

Drohende Visa-Freiheit: Eine Super-Migrationswaffe für die Türkei

Mannheim
Mannheim
Türkische Demonstration in Mannheim (2015) Foto: picture alliance/dpa
Drohende Visa-Freiheit
 

Eine Super-Migrationswaffe für die Türkei

Es ist ein wahnwitziger Plan: Die Türkei nimmt illegale Einwanderer, die über ihr Territorium nach Griechenland gelangt sind, zurück und im Gegenzug erhalten ihre Staatsbürger Visafreiheit mit der EU. Die Folgen wären für Deutschland verheerend. Dennoch gibt es kaum Protest. Ein Kommentar von Michael Paulwitz.
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Ungeheuerlichkeiten muß man nur oft genug in den Raum stellen, damit sich am Ende kaum noch einer darüber aufregt. Nur aus der CSU kommt noch hinhaltender Widerstand gegen den wahnwitzigen Plan, türkischen Staatsbürgern im Gegenzug für einen faulen Kuhhandel zur Rücknahme illegaler Einwanderer, die über die Türkei nach Griechenland gelangt sind, schon Ende Juni weitreichende Visafreiheit mit der EU zu geben.

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) hatte vor dem EU-Türkei-Gipfel noch vor „neuem, nicht kalkulierbarem Zuzug“ durch eine Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsbürger gewarnt. Innenpolitiker Hans-Peter Uhl (CSU) stellt immerhin die Bedingung, die Türkei als „sicheres Herkunftsland“ einzustufen, um türkische Asylbewerber leichter in ihr Heimatland zurückführen zu können. Angesichts der bekannt laschen Abschiebepraxis ist das allenfalls Kosmetik.

Schweigen im Walde

Seither ist weitgehend Schweigen im Walde. Die Medien lassen die Finger von dem heißen Eisen, und die CDU-Wahlkämpfer, denen am Sonntag ein Rekord-Absturz droht, sind gelähmt von Beißhemmungen gegen die eigene Chefin, die ihnen da schon wieder ein gigantisches Kuckucksei gelegt hat.

Dabei ist die Aussicht auf Visafreiheit für türkische Staatsbürger mit der EU purer Sprengstoff. Sollte der Türkei dieser seit Jahren hartnäckig verfolgte Wunsch erfüllt werden, hätte sie mit der einen Migrationswaffe – dem Zustrom von Asylsuchenden aus Nordafrika und dem Mittleren Osten – Deutschland und die EU erfolgreich erpreßt, ihr eine Super-Migrationswaffe in die Hand zu geben.

Durch die Visafreiheit hätte es die Türkei nämlich jederzeit in der Hand, neue Millionen-Migrantenströme an eigenen Staatsbürgern zu mobilisieren, um Europa weiter unter Druck zu setzen. Jede Verschärfung der Kurden-Unterdrückung, jedes weitere Drehen der Repressionsschraube der autoritär-islamistischen Erdoğan-Regierung gegen Andersdenkende könnte neue Auswanderungswellen in Gang setzen.

Gefahr für deutsche Sozialsysteme

Seit dem auf Druck aus Ankara und Washington erzwungenen Beginn der Gastarbeiteranwerbung vor mehr als einem halben Jahrhundert hat die Türkei immer wieder und nur zu gerne ihre Bevölkerungsüberschüsse und Sozialprobleme in andere Länder exportiert und dort als „Fünfte Kolonne“ ihrer Interessenpolitik eingesetzt.

Die Visumpflicht war bislang das wichtigste Ventil, um den Zustrom zumindest einigermaßen zu steuern. Deutschland, wo jetzt schon die meisten türkischen Staatsbürger außerhalb des eigenen Landes leben, ist Hauptzielland der Migration aus der Türkei und müßte schon aus Selbsterhaltungstrieb das größte Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Schranke haben.

Der absehbare unkontrollierte visafreie Ansturm aus Anatolien hätte mittelfristig durchaus das Potential, die deutschen Sozialsysteme vollends zu sprengen. Von der grenzenlosen Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum für die nicht eben wenigen türkischen IS-Sympathisanten, die damit verbunden wäre, ganz zu schweigen.

Protest der CSU bleibt Schattenboxen

Rückübernahmeabkommen für Flüchtlinge nur gegen Visafreiheit und beschleunigten EU-Beitritt – mit diesem Junktim arbeitet die türkische Regierung seit Jahren darauf hin, ihren Einfluß auf Europa zu potenzieren. Dank der Migrationswaffe ist dieses Ziel greifbar nahe gerückt.

Bislang hat die EU noch eine Vielzahl hinhaltender Bedingungen gestellt – 72 waren es, als ein EU-Türkei-Gipfel Ende vergangenen Jahres die Aufhebung des Visazwangs für Oktober 2016 in Aussicht stellte. Unter dem Druck der Asylkrise schmelzen die Vorbehalte wie Butter in der Sonne.

Treibende Kraft dabei ist die deutsche Kanzlerin, die nicht davon ablassen will, die Souveränität über die deutschen und europäischen Grenzen aufzugeben und faktisch an die Türkei zu delegieren. Daß CSU-Politiker wenigstens einige Haltelinien einziehen wollen und, wie Generalsekretär Andreas Scheuer, Visaerleichterungen auf „die Wirtschaft“ beschränken wollen, muß in dieser Situation Schattenboxen bleiben.

Hoffen auf Veto anderer Mitgliedsstaaten

Die Türkei sitzt am längeren Hebel und kann die von ihr selbst mit ausgelösten und gesteuerten Wanderungsströme jederzeit nutzen, um den Druck weiter zu erhöhen. Die Grünen, inzwischen Merkels treuester Fanclub, sind von der Aussicht auf Visafreiheit für türkische Staatsbürger ohnehin begeistert, am besten ganz ohne Bedingungen.

Solange die Bundesregierung sich weigert, die Kontrolle über die deutschen Grenzen selbst in die Hand zu nehmen und die mittel- und südosteuropäischen Partner bei der Schließung der EU-Außengrenzen zu unterstützen, kann vorerst wohl nur das beherzte Veto eines anderen Mitgliedstaates eine solche historische Fehlentscheidung noch verhindern oder wenigstens verzögern.

Türkische Demonstration in Mannheim (2015) Foto: picture alliance/dpa
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