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#regrettingmotherhood: „Kacka-Mama“ auf der Suche nach Mutterglück

#regrettingmotherhood: „Kacka-Mama“ auf der Suche nach Mutterglück

#regrettingmotherhood: „Kacka-Mama“ auf der Suche nach Mutterglück

Mutter
Mutter
Familienidylle mit glücklicher Mutter Foto: picture alliance/The Advertising Archives
#regrettingmotherhood
 

„Kacka-Mama“ auf der Suche nach Mutterglück

Im Internet tobt derzeit unter dem Stichwort #regrettingmotherhood eine Debatte über Frauen, die es bereuen, Mutter zu sein. Denn Muttersein allein macht nicht glücklich. Unsere Redakteurin Anni Mursula kann ein Lied davon singen. Sie sagt: Auch Mütter sind keine Heiligen.
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Ich sitze im Auto, hinter mir drei Quälgeister, die sich meine Kinder nennen. Eines davon hat mich eben „Kacka-Mama“ genannt. Weil ich ihm keinen dritten Keks gegeben habe. Hat ja Zucker und so, der soll Kindern schaden. Es ist ungesund, Kindern zu viel davon zu geben. Gute Mütter verfüttern Dinkelkräcker und Reiswaffeln. Aber ich bremse das Auto wütend. Schreie. Drohe. Dann besteche ich sie – mit den besagten Keksen. Daß sie wenigstens eine Minute still sind und ich klar denken kann.

Es ist nicht witzig, eher zum Heulen. So wollte ich nie sein. Als konservative Frau wollte ich wandern, basteln, backen, mit meinen Kindern. Eine Schürze tragen, wie in Bilderbüchern. Jetzt versuche ich nur zu überleben, irgendwie, jeden Tag. Daß man für diesen Alltagsirrsinn zwischen Arbeit und Kindern keine Anerkennung, keine Beförderung oder Gehaltserhöhung, ja, nicht einmal ein einfaches Dankeschön bekommt, ist bitter. Statt dessen ist man mal wieder die „Kacka-Mama“.

Wie passend, denke ich, daß ich gerade heute einen Kommentar zur aktuellen Debatte über unglückliche Mütter schreiben wollte. Im Internet unter dem Hashtag #regrettingmotherhood, also „Mutterschaft bereuen“, wird heftigst über das Muttersein diskutiert, seit die Süddeutsche Zeitung  vor etwa zehn Tagen einen Artikel über eine Studie zu diesem Thema veröffentlichte.

Negative Gefühle sind erlaubt

Für Deutschland, mit einem langen, ideologisch geprägten Verhältnis zur Mutterschaft, ist diese Debatte durchaus neu. In den Zeitungen, Blogs und sozialen Medien ist ein kollektives „coming out“ der Mütter zu verzeichnen: „Muttersein macht mich nicht glücklich“, „Ich hasse es“, „Ich fühle mich im Käfig gefangen“, „Ich will mein altes Leben zurück“. Das sind nur wenige Sätze, wie sie momentan zu lesen sind. Viele mildern ihre Aussage ab, in dem sie das Wort „aber“ hintendran hängen: „Ich bereue es Mutter geworden zu sein, aber ich liebe meine Kinder. Sie bereue ich nicht.“

Und genau darum geht es bei dieser Diskussion. Frauen entdecken nicht plötzlich, daß sie keine Gefühle für ihren Nachwuchs haben. Im Gegenteil. Sie lassen endlich ihre Gefühle zu. Auch die negativen. Diese Frauen sagen, daß ihr Alltag alles andere ist als heile Welt, als Stilleben und idyllische Bilder aus Kinderbüchern. Viele Frauen, die studiert, gearbeitet und jahrelang vor ihren Kindern ein freies emanzipiertes Leben genossen haben, können genauso wenig ein von einem Säugling fremdbestimmtes Leben genießen, wie es ein Mann in ihrem Fall würde. Und so schön Mutterglück auch ist, sich allein über die Mutterrolle zu definieren, macht trotzdem nicht 24 Stunden am Tag glücklich.

Muttersein ist nicht, was ich mir ausgemalt hatte

Ich sitze am Rechner. Versuche, diesen Text zu schreiben – und werde wieder aus den Gedanken gerissen. Ein Kind weint: Es hat in die Hosen gemacht, sich diese selbst ausgezogen und ist dann mit dreckigen Füßen durch die Wohnung gelaufen. Ich denke nur: „Scheiße!“ Nicht, weil ich es wegmachen muß. Wenn es nur das wäre! Es ist diese sich ewig anfühlende Versklavung durch die kleinen Zeiträuber.

Die Verantwortung, das tägliche Versagen. Nein, Muttersein ist nicht, was ich mir ausgemalt hatte. Und ich bin eine ganz andere Mutter geworden, als ich werden wollte. Eine viel schlechtere, ungeduldigere und härtere. „Doch, du bist eine gute Mutter, Anni“, sagen mir meine Mamafreundinnen. Aber wieso klingt das so hohl? Was ist eine „gute Mutter“ eigentlich? Wer entscheidet das? Und muß ich überhaupt so sein, um gut genug zu sein – für meine Kinder?

Interessant ist #regrettingmotherhood vor allem wegen der Rezeption. Daß sich die hiesige Presse auf das Bekenntnis der deutschen Frauen zur Mutterschaftsreue stürzt, ist bezeichnend. Als ob das alles ein Beweis dafür wäre, was Feministen seit Jahrzehnten propagieren: Die Mutterschaft mache eine Frau zur Sklavin und somit unglücklich. Doch so einfach ist das nicht. Schließlich sind die meisten Frauen, die ungewollt keine Kinder bekommen, ebenfalls unglücklich. Und viele meiner Freundinnen, die ihren Kinderwunsch zu lange der Karriere wegen verschoben haben, bereuen es ebenfalls. Zutiefst.

Veraltete Rollenklischees

Aber was heißt das für die Gesellschaft? Es heißt zumindest nicht, daß Frauen keine Kinder wollen. Vielmehr ist es ein Hilferuf an die Politik, die jämmerlich auf beiden Seiten versagt hat: Die Links-Grünen, die das Betreuungsgeld kippen wollen, tragen zu der Doppelbelastung der Frauen bei. Doch die veralteten Rollenklischees aus der konservativen Ecke überfordern ebenso. Tröstlich für junge Mütter sind überhöhte Mutterideale nicht. Eher fühlen sie eine immer größer werdende Schere zwischen diesen Idealen und ihrem wirklichen Alltag.

Und genau mit dieser Diskrepanz hadert die Generation, die jetzt merkt, daß sie niemals die herkömmliche Mutterrolle erfüllen kann. Will sie auch nicht. Denn junge Frauen haben heute nun mal mehrere Rollen zu erfüllen. Da ist kein Platz für eine aufopferungsvolle Märtyrer-Mutterschaft. Das macht sie aber nicht zu schlechteren Müttern. Wer daran seine Zweifel hat, sollte in sich gehen und überlegen, warum. Letztlich heißt das ja nur, daß auch Mütter keine Heiligen, sondern lediglich Menschen sind.

Familienidylle mit glücklicher Mutter Foto: picture alliance/The Advertising Archives
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