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Interview: „Wir wollen unsere Werte retten“

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Interview
 

„Wir wollen unsere Werte retten“

Bei der Bundestagswahl wurde die Union wieder einmal von vielen ihrer Stammwähler abgestraft. Zu denen gehören besonders die kirchennahen Katholiken. Egal ob Papst-Schelte der Kanzlerin oder Preisgabe des „hohen C“: Gründe für den Frust gibt es viele. Vor knapp einem Monat gründete sich in der Partei ein katholischer Arbeitskreis, der Abhilfe schaffen soll. Wie konservativ ist er? Fragen an einen der beiden Sprecher, den ehemaligen CSU-Generalsekretär Thomas Goppel.
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Thomas Goppel: „Nicht alles auf einmal und dafür überlegt.“ Foto: Privat

Herr Goppel, seit dem 15. November gibt es einen Arbeitskreis Engagierter Katholiken  (AEK) in der CDU/CSU.

Goppel: Wenn wie bei den letzten Wahlen  insgesamt an die zwei Millionen Katholiken nicht mehr zur Wahl gehen, dann müssen die Unionsparteien darauf reagieren.  

Angeblich war der Anlaß für die Gründung die Papst-Kritik der Bundeskanzlerin im März.

Goppel: Es gibt sicher den einen oder anderen, den das geärgert hat. Für mich ist das kein Dollpunkt. Aber richtig ist, wenn die Angelegenheit damals vorher in der Union diskutiert worden wäre, wäre die Reaktion der Kanzlerin nicht so ausgefallen, wie wir sie kennen. Damit sich Vergleichbares nicht wiederholt, ist es gut, daß es nun einen AEK gibt.

Aus dem Konrad-Adenauer-Haus ist zu vernehmen, daß man in der Sache zwar zustimmt, den AEK aber dennoch für überflüssig hält.

Goppel: Nun ja, das ist eine Frage des Standortes und der Art und Weise, wie man Politik für morgen sieht. Die Position von CDU und CSU definiert sich nicht nur aus dem evangelischen, sondern auch aus dem katholischen Gedankengut. Doch während die Protestanten sich – dank ihres seit 1952 existierenden Evangelischen Arbeitskreises (EAK) – aus dem Inneren der Partei artikulieren können, können die Katholiken ihre Stellungnahmen nur von außen über die Kirchengremien einbringen. Das soll sich mit dem AEK ändern.

„Die Gründung des katholischen Arbeitskreises war überfällig!“

Bereits im Juni soll die Gründung eines Katholischen Arbeitskreises geplant, von der Bundeskanzlerin aber abgelehnt worden sein.

Goppel: Davon weiß ich nichts. Es ist einfach so: Den Evangelischen Arbeitskreis gibt es seit über fünfzig Jahren, weil damals die Katholiken in der Überzahl waren. 1990 hat die CDU aber durch die Wiedervereinigung eine Stärkung der Protestanten erfahren. Die Gründung eines katholischen Arbeitskreises war von daher also längst überfällig.

Vielleicht bleiben die Katholiken den Urnen ja nicht deshalb fern, weil die Union keinen katholischen Arbeitkreis hatte, sondern weil sie die Politik der Kanzlerin abschreckt?

Goppel: Sie zäumen das Pferd falsch auf. Worum es geht, ist die Meinungsfindung innerhalb der Union. Auch mir ist immer wieder schmerzlich bewußt geworden, daß wir Katholiken in der Partei nicht ausreichend gefragt bzw. gehört werden. Aber: Wer nicht da ist – weil wir uns damals noch nicht etabliert hatten –, der hat auch kein Recht, andere nachträglich zu maßregeln, weil sie bei ihren Entscheidungen bisher erst damit bekanntgemachte Sichtweisen übersehen haben.

Die Bundeskanzlerin betreibt eine Politik, die alles andere als christlich orientiert ist, etwa in Fragen der Familienpolitik, der Abtreibung oder der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Muß also Ihre Beziehung zur Kanzlerin nicht notwendig gespannt sein?

Goppel: Einen Grund oder Anlaß, einen Arbeitskreis gegen Angela Merkel zu organisieren, sehe ich nicht. Warum sollten wir? Sie ist erfolgreich als Kanzlerin.   

Ihr Co-Vorsitzender, der Publizist Martin Lohmann, Sprecher für den AEK in der CDU, kritisierte in seinem im Juni erschienenen Buch „Das Kreuz mit dem C. Wie christlich ist die Union?“, Merkel habe „keine innere Verbindung“ zum christlichen Gehalt der Union, ja sie „entleere das C“.

Goppel: Die Gründer des AEK sind nicht angetreten, um über Vergangenes zu reden, sondern um sich der Zukunft zuzuwenden. Die Runde der AEK-Gründer legt großen Wert darauf, daß wir konstruktiv geplante Arbeit nicht damit belasten, erst aufzurechnen, was bisher alles nicht optimal gelaufen scheint. Von jetzt an gibt es unseren Arbeitskreis. Erst jetzt hat der Katholizismus in der Union eine eigene, dabei eine verbindende Stimme. Wir tarocken nicht nach, nicht mit mir. Wir reden mit und wollen ernst genommen sein. In der Tat erwarte ich deshalb von nun an, daß sich meine Partei künftig auch bei uns schlau macht, bevor sie zu einschlägigen Themen die Öffentlichkeit sucht. >>

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Hat denn die Kanzlerin schon Kontakt mit Ihnen aufgenommen?

Goppel: Wir haben zunächst beide Generalsekretäre von der Gründung des AEK informiert, wie sich das gehört. Mein Ministerpräsident hat mich bereits wissen lassen, daß er gespannt ist, wie sich die Sache entwickelt. Das finde ich eine sehr angemessene Form der Reaktion. Von der Kanzlerin habe ich noch nichts vernommen, höre aber, daß es in der CDU-Schwester nicht ganz so einfach ist, Bereitschaft gegenüber einem solchen Arbeitskreis zu wecken. Aber machen wir unsere Arbeit gut, bin ich zuversichtlich.

Die Union ist traditionell vor allem auch eine katholische Partei, wenn sie nun die Gründung eines AEK nötig hat, ist das dann nicht ein Indikator dafür, daß sich ihre Grundwerte verflüchtigt haben?

Goppel: Wir Katholiken waren in der Tat jahrzehntelang eine politische Selbstverständlichkeit für die Union. Diese Selbstverständlichkeit ist uns abhanden gekommen. Allerdings nicht nur uns Katholiken, ebenso den Protestanten. Nur, die haben ja schon ihren Arbeitskreis, der für Abhilfe sorgen kann. Wer sich jetzt noch organisieren muß, sind die Katholiken.  

„Nicht festgelegt auf Ideologie

Wenn, wie Sie andeuten, die Stellung aller Christen in der Union erodiert, wäre es dann nicht sinnvoller gewesen, den Evangelischen Arbeitskreis zu einer gemeinsamen christlichen Plattform auszubauen?

Goppel: Seit zwanzig Jahren gibt es diese Diskussion, ohne daß die Parteiführung in dieser Hinsicht irgendwelche Fortschritte erzielt hätte. Deshalb sind wir jetzt selbst aktiv geworden.

Würden Sie den AEK konservativ nennen?

Goppel: Ich glaube, das christliche Gedankengut ist sowohl ein herkömmliches wie neues. Das christliche Menschenbild steht in seinem Kern unveränderlich. Das gilt als Vorstellung vom Menschen als einmalige Person, auch wenn die Individuen, die wir „erleben“, mit jeder Geburt und jedem Tod Korrektur um Korrektur der Grundvorstellung erzwingen. Wir Katholiken in der Union verlassen uns auf die Unterschiedlichkeit der Persönlichkeiten, die wir in unseren Reihen haben. Wir sind nicht festgelegt auf einen ideologischen Ansatz, sondern sind im Wechsel derjenigen, die sich in unserer Überzeugung treu bleiben, immer wieder neu und spannungsvoll am Start.

Betrachtet man das Gründungspersonal des AEK – Vertreter des dezidiert konservativen Forums Deutscher Katholiken, der Lebensschutzorganisation Christdemokraten für das Leben, profilierte konservative Persönlichkeiten wie Professor Wolfgang Ockenfels oder Norbert Geis –, ist die klar konservative Konnotierung Ihres Arbeitskreises allerdings nicht zu übersehen.

Goppel: In der öffentlichen Diskussion wird gern unterstellt, daß Konservative einen überholten Standpunkt anbieten. Ich glaube, Sie sollten nicht fragen, ob wir bestimmten Positionen verhaftet sind, sondern ob wir offen genug sind, Neuerungen zu sehen, aufzunehmen und umzusetzen. Die Sozialdemokratie operiert bis heute auf der Basis von Mißtrauen und Neid, die Liberalen meinen, wenn man jeden nur machen lasse, wie und was er – oder sie – wolle, sei das zum Nutzen aller, weil jeder, der am eigenen Fortkommen interessiert sei, auch dem großen Ganzen diene. Wir dagegen sind der Überzeugung, der einzelne kann nur dann zur Bestform auflaufen, wenn ihn die anderen und er andere auf ihrem Weg unterstützt. Ich bin sicher, mit diesem Denkansatz sind wir moderner als der Rest der derzeitigen politischen Welt.

„Im konservativen Denken ist nichts unmöglich“

Täuscht der Eindruck, oder wehren Sie sich gegen das Adjektiv „konservativ“?

Goppel: Nein, aber ich will nicht, daß es einseitig ausgelegt wird. Sie werden sehen, daß wir viel Neues zu sagen haben.

Zum Beispiel?

Goppel: Beispiel Familienpolitik: Neu ist da etwa, zu erkennen, daß nicht nur die Biologie, sondern die Natur darauf Wert legt, daß sich die unterschiedlichen Geschlechter zusammentun, um der nächsten Generation eine Lebenschance zu geben. Unsere Gesellschaft ist da rückständiger, finde ich, wenn sie die Ausnahmen für den Lebensalltag und seine Umsetzung für wichtiger hält als die Regel: Vater, Mutter, Kinder. Momentan huldigt alles den Ausnahmen. Das sichert unsere Zukunft aber nicht. Das lehrt die Biologie. – Und Sie sehen: Ich rede von „Ausnahmen“, nicht von Abweichungen etc. Die Zeit lehrt, besonnen miteinander umzugehen. Aber sie muß auch noch wissen, was als Norm am besten trägt. >>

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Nun gut, wie würden Sie selbst denn konservativ definieren?

Goppel: Für mich ist konservativ, was dem Menschen guttut, ihn in seiner Entwicklung fördert und ihn sich neu entdecken, dabei aber im Vertrauten behaupten läßt. Konservativ sein enthält aber auch die Verpflichtung, die eigene Vorstellungswelt jeden Tag zu hinterfragen. Kürzer: offen sein für das Neue ohne Vernachlässigung des gewohnt Guten.

Klingt – milde gesagt – ziemlich allgemein formuliert …

Goppel: Im konservativen Denken ist nichts unmöglich, in der Realität aber sind die Dinge eingeschränkt. Sprich, nicht alles, was denkbar ist, ist auch gut für uns. Die Diskussion darüber, was richtig und was falsch, was gut und böse, was wahr und unwahr ist, darf nie aufhören. Ideologen beenden solche Diskussionen, indem sie bestimmte Werte für endgültig gültig erklären, während in der Weltanschauung des christlichen Gedankenguts immer offen ist, ob ein Sachverhalt anders nicht besser oder ganz anderes richtig ist. Dieser Offenheit müssen wir uns stellen und stellen wollen.

Also konkret: Welche Probleme wollen Sie offensiv angehen? Was wollen Sie politisch verändern?

Goppel: Wir wollen bei allen Fragen, die katholische Fundamente berühren, deutlich vernehmbar werden. Wir beanspruchen also, daß bei Entscheidungen der Union künftig die katholische Position bedacht ist – ob sie auch berücksichtigt wird, ist freilich die sich gleich im Anschluß stellende Frage. Unter den aktuellen Themen nenne ich den Streit um die Babyklappe oder Wowereits Lust an der Aufgabe des Sonntags in seiner übergeordneten Bedeutung.

„Ich habe so das Wichtigste verpaßt“

Anders gefragt: Jede Politik hat Gegner. Gegen wen wollen Sie sich politisch durchsetzen?

Goppel: Wie die Lage künftig sein wird, weiß ich nicht. Für den Augenblick sehe ich die Kontrahenten nicht, noch nicht vielleicht. Derzeit muß es uns darum gehen, einer politischen Landschaft ein Licht anzuzünden, das bisher nicht in bewährter Kraft strahlt. Wir haben zugelassen, daß in den letzten Jahren viele Positionen preisgegeben wurden. Beispielsweise hat sich Frankreich mit seiner Interpretation Europas und dessen Fundamenten aus den letzten zweihundert Jahren durchgesetzt und verhindert, daß auch die europäische Verfassung einen Gottesbezug hat. Das hätte nicht passieren dürfen. Jetzt fragen Sie natürlich: „Herr Goppel, wo waren Sie denn damals?“ Und ich muß einräumen: Sichtlich schienen mir sonstige Fragen der Politik damals wichtiger, und ich habe so das Wichtigste verpaßt. Erst die aktuelle Diskussion hat mir das bewußt gemacht.  

Welchen Einfluß haben die Katholiken denn realiter noch in der Union?

Goppel: Lieber Herr Schwarz, Sie sind mir fast ein bißchen zu deutsch. Die Deutschen fragen immer: „Können Sie ausschließen, daß Sie scheitern?“ Ich werde meine Arbeit für den AEK nicht damit beginnen, darüber nachzudenken, ob nicht alles vergebens ist, sondern ich werde – da bin ich nicht allein – beginnen!

Das 1992 gegründete Christlich Konservative Deutschlandforum (CKDF), das unter anderem auch schon das Christentum in der Partei stärken wollte, ist vollkommen gescheitert.

Goppel: Wenn ich eines Tages Rechenschaft ablegen muß, möchte ich nicht aufzählen müssen, welche Möglichkeiten ich nicht wahrgenommen habe, sondern was ich unternommen habe, um unsere Werte zu retten.

Haben Sie Kontakt zum Arbeitskreis Konservativer Christen, der Nachfolgeorganisation des CKDF, aufgenommen?

Goppel: Noch nicht. Auch das ist katholische Überzeugung: Nicht alles auf einmal und dafür überlegt.

„Positive Reaktionen aus Politik und Kirche“

Der „Kampf gegen Rechts“ richtet sich keineswegs nur gegen Rechtsextremismus, sondern auch gegen bürgerliche konservative Positionen. Sehen Sie sich da künftig bedroht?

Goppel: In dem Sinne bin ich kein Rechter. Außerdem habe ich Verständnis dafür, daß man schon mal vorschnell in die falsche Schublade gesteckt wird, wenn man sich wie wir so lange Zeit nicht zu Wort gemeldet hat, sich nun plötzlich dezidiert zu Fragen äußert, die in der Gesellschaft bisher stark links/rechts polarisiert diskutiert werden. Wir hoffen, solchen Mißverständnissen in Zukunft entgegenzuwirken, wenn der AEK seine Arbeit erst einmal richtig aufgenommen hat.

Vor allem auf seiten der CDU haben Sie allerdings bislang kaum Funktionsträger gefunden, die bereit sind, sich im AEK zu engagieren.

Goppel: Das stimmt so nicht. Im Maximilianeum haben wir inzwischen fünf Kollegen gewonnen und in jedem weiteren Parlament schon mehr als nur den direkten Ansprechpartner – außerdem etliche Landräte. Eine ganze Reihe Parteifreunde sind zudem dabei, sich zu orientieren und dann zu entscheiden. Das nenne ich gescheit. Und auch von seiten der Kirche gibt es positive Reaktionen; so haben mir nicht nur etliche Äbte und Äbtissinnen zustimmend geschrieben, sondern auch die Bischöfe von Bamberg und von Eichstätt. Ich bin sicher, wenn dank des AEK die Stimme der Katholiken in der Union erstmals vernehmbar gemacht ist, wird sie auch gehört werden und verstärkt dann auch das Nötige bewirken.  

Der ehemalige CSU-Generalsekretär und langjährige bayerische Staatsminister Thomas Goppel ist einer von zwei Sprechern des neu gegründeten Arbeitskreises Engagierter Katholiken in CDU und CSU (AEK).

Der Landtagsabgeordnete und CSU-Parteivorstand ist der Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel, war seit 1990 mehrfach Landesminister, wurde 1999 für vier Jahre Generalsekretär seiner Partei und bewarb sich 2008 um das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, auf das er dann jedoch zugunsten Horst Seehofers verzichtete. Dem AEK steht er zusammen mit dem  Publizisten Martin Lohmann vor.

Am 15. November in Bonn und Berlin gegründet, hat der Arbeitskreis Engagierter Katholiken nach eigenen Angaben bereits über 500 Mitglieder. Im Unterschied zum Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU, dem alle evangelischen Mitglieder der Union automatisch angehören, müssen katholische Parteimitglieder ihren Beitritt zum AEK erklären.

JF 51/09

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