Einen „Maulkorb“ bekam der Berliner Staatsanwalt Roman Reusch zuerst verpaßt. Nun droht dem Unbotmäßigen auch noch die Strafversetzung. Was beamtenrechtlich einwandfrei ist, ist dennoch ein politischer Skandal: Während ganz Deutschland hitzig über die jahrelangen Versäumnisse der Politik in puncto Bekämpfung der Jugendkriminalität debattiert, stellt die Politik genau den Mann kalt, der versucht, konkret etwas dagegen zu unternehmen. Oberstaatsanwalt Reusch ist auf jugendliche Intensivtäter spezialisiert, seiner Abteilung eilt ein für das deutsche Justizwesen ungewohnter Ruf von Effizienz voraus. Verlieren in anderen Bundesländern Staatsanwälte und Richter häufig den Überblick in der kriminellen Karriere eines jugendlichen Intensivtäters, so führte Reusch eine täterorientierte Strafverfolgung ein, bei der dieser immer vom gleichen Staatsanwalt betreut wird. Mit entsprechendem Ergebnis: Mittlerweile befindet sich ungefähr die Hälfte der rund 500 jugendlichen Intensivtäter, welche Reuschs Abteilung zählt, in Haft. Doch gegen eine andere Form von Intensivtätern ist auch Reusch nicht gewappnet. Mag Reuschs Vorgehen in der Sache richtig sein, seiner obersten Dienstherrin, der Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), paßt es nicht ins politische Konzept. Reuschs Abberufung war daher nur noch eine Frage der Zeit. Endgültig zum Politikum geriet die Sache, als zum Jahresbeginn die Bild-Zeitung mit dem Untertitel „Deutschlands mutigster Staatsanwalt“ einen gekürzten Vortrag Reuschs veröffentlichte, den der Mittfünfziger auf einer Fachtagung der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung hielt. Dort hieß es unter anderem: „Es muß erreicht werden, daß besonders auffällige ausländische Kriminelle außer Landes geschafft … werden können, damit sie … kein Beispiel mehr geben und andere zur Nachahmung animieren können.“ Die Justizsenatorin, schon früher durch eigenwillige Methoden der Menschenführung aufgefallen (JF 42/07), untersagte Reusch daraufhin öffentliche Äußerungen zur Jugendkriminalität. So auch die Teilnahme an der ZDF-Sendung „Hart aber fair“ zum Thema Anfang Januar. „Ich muß mich deutlich von seinen Forderungen distanzieren“, so von der Aue. „Weder der Senat noch die Berliner Justiz kann sich damit identifizieren.“ Reusch selbst konnte sich nicht äußern, da von der Aue die Einladung des Rechtsausschusses nicht an ihn weiterleitete. Sonst hätte Reusch wohl von der Notwendigkeit zum Umdenken gesprochen: „Es bleibt zu hoffen, daß dies geschieht, bevor das Problem in vornehmen Villenvororten – den bevorzugten Wohnorten unserer Entscheider in Staat und Gesellschaft – spürbar geworden ist, denn dann hätten wir in den Kiezen bereits Bürgerkrieg.“ Gerüchten zufolge soll übrigens die ehemalige Abteilung Reuschs zukünftig der Justizsenatorin direkt unterstellt werden.