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Der Islam wird nicht haltmachen

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Pater Youkhana, im Irak findet gegenwärtig die schlimmste Christenverfolgung (siehe Seite 12) der islamischen Welt statt. Youkhana: So ist es: Die Christen wurden im Irak zwar schon immer unterdrückt. Doch von den über eine Million Christen zu Beginn des Krieges 2003 sind heute nur noch eine halbe Million übrig — mehr als fünfzig Prozent sind in fünf Jahren geflohen oder vertrieben worden. Die Lage ist dramatisch! Die Gesellschaft für bedrohte Völker spricht von „systematischem Terror“ . Youkhana: Ja, die Christen im Irak sind ständiger Entrechtung, Verfolgung, Entführungen, ja sogar Vergewaltigung, Mord und Terroranschlägen ausgesetzt. Vierzig Kirchen wurden bereits angegeriffen, zahllose Christen ermordet, darunter ein Erzbischof. Menschen werden auf der Straße von Islamisten nach dem Ausweis gefragt, steht dort, daß sie Christen sind, werden sie getötet. Was steckt dahinter? Youkhana: Es handelt sich nicht einfach um willkürliche Maßnahmen, es geht vielmehr darum, die Christen aus dem Irak vollständig zu vertreiben. Dabei sind die Christen im Irak kein Überbleibsel der Kolonialepoche, sondern die angestammte Urbevölkerung. Die chaldäo-assyrische Volksgruppe ist erstens schon länger christlich als die meisten Europäer, denn die Christianisierung begann hier bereits im 1. Jahrhundert nach Christus, und zweitens sind wir schon länger im Irak als die Araber, die erst im 7. Jahrhundert hier einfielen. Das heißt, eine Auslöschung des Christentums im Irak würde nicht nur das Ende seiner fast zweitausendjährigen Geschichte  bedeuten, sondern auch das Ende der noch viel älteren Volksgruppe der Assyrer. Von wem geht die Verfolgung aus? Youkhana: Erstens von kriminellen Banden, die mit Entführungen Lösegeld erpressen wollen. Denn Christen sind leichte Beute, da es kaum einen kümmert, wenn es uns trifft. Zweitens geraten wir zwischen die Fronten, wenn Schiiten, Sunniten und Kurden ihre Kämpfe austragen. Drittens, und das ist das Hauptproblem, von Islamisten, die alle sogenannten „Ungläubigen“ aus dem Irak vertreiben wollen.  Wird die Christenverfolgung im Irak von anderen islamischen Staaten unterstützt? Youkhana: Dafür haben wir keine Beweise, aber natürlich beteiligen sich Islamisten aus anderen islamischen Staaten daran. So wurde etwa ein Selbstmordanschlag in Mossul unlängst von einem Kuweiter verübt. Übrigens ein Mann, der zuvor aus dem US-Lager Guantánamo entlassen worden war! Die schlimmste Christenverfolgung der islamischen Welt findet  also ausgerechnet im einzigen islamischen Land statt, das militärisch vom Westen besetzt ist. Youkhana: Das klingt absurd, ich weiß. Bemühen sich denn die USA und ihre Verbündeten, die Christen des Irak zu schützen? Youkhana: Ja, man kann ihnen nicht vorwerfen, sie würden es nicht versuchen. Bleibt nur der Schluß, daß die USA im Irak völlig die Kontrolle verloren haben? Youkhana: So ist es. Seit dem Sturz Saddam Husseins ist ein Machtvakuum entstanden. Zudem können Soldaten, wenn überhaupt, bestenfalls Kirchen schützen, aber nicht jeden einzelnen Christen auf der Straße. In Saudi-Arabien kümmern sich die USA nicht im geringsten um das Schicksal der Christen dort, warum im Irak? Youkhana: Es ist schon niederschmetternd, daß die USA, obwohl sie ein christliches Land sind, einen evangelikalen Christen als Präsidenten haben und die Religionsfreiheit zu ihrem nationalen Selbstverständnis gehört, sich dennoch nicht gegenüber Riad für Glaubensfreiheit für Christen einsetzen. Es geht ihnen in Saudi-Arabien immer nur um Öl und geopolitische Fragen. Im Irak ist die Situation eine andere. Dort ist die Frage der Christenverfolgung eine Frage der öffentlichen Ordnung, die die USA verzweifelt herzustellen bemüht sind. Man muß wissen, in welchem politischen Zusammenhang die Verfolgung der Christen im Irak steht: Es geht dort nicht speziell gegen die Christen, sondern gegen alle Minderheiten. Es bekämpfen sich ja sogar die drei großen Gruppe untereinander: Schiiten, Sunniten und Kurden. Die Verfolgung der Christen findet also im Rahmen eines Bürgerkrieges statt. Diese Situation ist es, die den Erfolg der US-Operation, im Irak einen einheitlichen, stabilen Staat aufzubauen, zerstört. Sie kommen eben von einer Konferenz über die Lage der irakischen Minderheiten in Washington zurück. Dort haben Sie auch Gespräche im US-Außenministerium geführt. Youkhana: Ja, aber ich bin nicht befugt, darüber etwas zu sagen. Bitte haben Sie Verständnis. Das Entscheidende ist, daß ein Ende des Bürgerkriegs im Irak eine Stabilisierung der Lage bedeuten würde. Sicherheit für die Minderheiten, etwa uns Christen, würde also einen Erfolg der US-Strategie im Irak symbolisieren. Deshalb ist das Engagement der USA für uns Christen hierzulande ein ganz anderes als etwa in Saudi-Arabien. Experten sehen die „Lösung“ des Irak-Problems schon lange nicht mehr in einer weiteren Amerikanisierung, also Verwestlichung des Landes, sondern in einer Irakisierung des Konfliktes — sprich einem Rückzug der USA. Ist also das Schicksal der Christen des Irak besiegelt? Youkhana: Das hoffen wir nicht! Trotz der dramatischen Ereignisse haben wir die Hoffnung, daß die Talsohle des Schreckens in den vergangenen Monaten — denn seit Anfang des Jahres hatte sich die Lage erneut zugespitzt — nun durchschritten ist. Was läßt Sie darauf hoffen? Youkhana: Zum Beispiel das verstärkte diplomatische Engagement der Europäer. Und wir hoffen auf Barack Obama. Inwiefern? Youkhana: Vielleicht wird es ihm gelingen, eine Lösung für den Irak zu finden. Obama ist weit weniger christlich eingestellt als Bush, warum erwarten Sie von ihm mehr? Youkhana: Obama gilt als Vertreter der Minderheiten. Er ist selbst schwarz und kommt aus einer Kultur, die Diskriminierung erfahren hat. Das ist vergleichbar mit unserer Situation. Wir hoffen, daß er sich besser mit uns identifizieren kann. Obamas Wähler tendieren dazu, den Krieg im Irak lieber früher als später beendet zu sehen. Eventuell droht Ihnen nun ein noch schnellerer Abzug der US-Truppen. Youkhana: Diese Gefahr besteht. Aber wir hoffen, daß die USA nicht abziehen, ohne eine funktionierende Ordnung zu hinterlassen, die Christen zumindest in den halbwegs sicheren Regionen, etwa im Kurdengebiet im Norden, ein Überleben ermöglicht. Einige Experten sagen einen Kollaps des Irak nach dem Abzug der USA voraus und das Entstehen etwa eines schiitischen Gottesstaates. Youkhana: Das wäre natürlich eine Katastrophe. Aber das ist das Szenario für den „schlimmsten Fall“. Wir hoffen, daß dieser nie eintreten wird. Als Vertreter einer Gruppierung, die von Tod und Auslöschung bedroht ist, setzen Sie sehr viel auf die Hoffnung. Youkhana: Was bleibt uns anderes als das? Allerdings, es gibt ja auch diplomatische Fortschritte. Falls diese aber tatsächlich zu nichts führen, dann stünden wir definitiv vor der Situation, in der sich christlicher Glaube wirklich beweist. Sie meinen eine totale Christenverfolgung? Youkhana: Das Christentum war immer dann am stärksten, wenn es verfolgt wurde, das war auch in Europa einst so. Und heute? Youkhana: Ganz ehrlich? Früher glaubte ich, Europa, das sei die christliche Welt, ebenso wie der Orient die islamische Welt ist. Als ich aber zum ersten Mal nach Europa kam, war ich schockiert. Europa — auch wenn es dort insgesamt noch zahlreiche gläubige und lebendige Gemeinden gibt, wie ich bei meinen Besuchen immer wieder erleben darf — ist als die christliche Welt tot. Deshalb gibt es auch nur so wenig Interesse und so wenig Solidarität mit uns Christen im Osten, was für uns ein großer Schmerz ist. Die Innenministerkonferenz beschloß am Donnerstag letzter Woche, weitere 2.500 irakische Christen in Deutschland aufzunehmen. Youkhana: Das ist an sich löblich. Aber es ist nicht unser Ziel, die irakischen Christen zu retten, sondern das Christentum im Irak. Ich habe im Rahmen einer Delegation unlängst Ihren Außenminister Steinmeier getroffen: Obwohl wir dankbar sind — er versteht nicht, worum es geht, weil seine Motive humanitär, aber nicht christlich sind. Denn im Grunde führt eine Flüchtlingslösung nur dazu, das Ende der Christentums im Irak zu noch beschleunigen. Was, wenn dies nicht verhindert wird? Youkhana: Ihr in Europa müßt verstehen, daß Eure mangelnde Solidarität mit uns, euren Glaubensbrüdern im Osten, am Ende unser aller Verhängnis sein wird. Ihr müßt verstehen, daß die islamische Welt nicht unterscheidet zwischen den Christen im Osten und dem säkularen Europa. Wenn ihr Mohammed in Karikaturen verspottet, brennen unsere Kirchen. Wenn ihr, wie der Papst in seiner Regensburger Rede, den Islam kritisiert, werden wir dafür angegriffen, verfolgt und getötet. Ob ihr wollt oder nicht, wir sind ein Leib. Und glaubt nicht, daß der militante Islam innehält, wenn er sein Ziel, die Christenheit im Irak zu zerstören, erreicht hat. Im Gegenteil, dies würde nur einen Ansporn bedeuten, im ganzen Orient so zu verfahren! Und auch vor Europa wird er nicht haltmachen, wenn sich dort der Islam immer weiter durchsetzt: heute wir, morgen ihr. Seid nicht taub und hört unsere Warnung.   Emanuel Youkhana Der Iraker macht im Westen unermüdlich die Verfolgung der Christen im Irak öffentlich und wurde dafür 2008 von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) mit dem Stephanus-Preis „für Standhaftigkeit im Einsatz für die Religionsfreiheit“ ausgezeichnet. Der studierte Elektroingenieur und assyrische Priester gründete und leitet außerdem die christliche Hilfsorganisation Christian Aid Program Nohadra Iraq (CAPNI) mit Sitz in Dohuk/Irak und Wiesbaden/ Deutschland. Sie arbeitet zusammen mit verschiedenen Hilfswerken wie Misereor, Diakonie, Missio, Open Doors oder den Evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Bayern. Geboren wurde Pater Youkhana 1959 in Dohuk im Norden des Irak.   Kontakt und Informationen: CAPNI, Postfach 420 207, 65103 Wiesbaden, Telefon: 06122 / 17645, im Internet: www.capiraq.org (nur in arabischer Sprache)   Christenverfolgung im Irak: Unter den Augen der westlichen Welt vollzieht sich derzeit im Irak die größte Katastrophe seiner christlichen Geschichte. Laut Uno hat die Gewalt gegen Christen 2008 „explosionsartig zugenommen“, „ein Exodus“ sei im Gange. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt ebenfalls vor der Auslöschung der Volksgruppe der Assyro-Chaldäer im Irak, einer der ältesten christlichen Gemeinschaften weltweit. Die GfbV (www.gfbv.de) dokumentiert deren Verfolgung und Ermordung akribisch, so berichtet sie etwa von dem 14jährigen Iyad Y., der in Bakuba nahe Bagdad von Maskierten auf der Straße angesprochen und gefragt wurde, ob er Christ sei. „Als der Junge bejahte, packten sie ihn an Armen und Beinen und schnitten ihm den Kopf ab.“

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