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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

„Weinen für Deutschland“

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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Prinz Asserate, Deutschland ein Fahnenmeer! Ein Traum aus Schwarz-Rot-Gold! Asserate: Ja! Ergreifend, nicht? Jeder will zeigen, daß er dazugehört und daß er an Deutschland glaubt! Alle stehen zusammen! Ich hoffe nur, diese Stimmung trägt uns jetzt zum Titel! Wie, Sie sind gar nicht besorgt? Asserate: Ich weiß, es wird von Ausländern geradezu erwartet, daß sie sich besorgt äußern. Zumindest von seiten des linksintellektuellen juste milieu besteht diese heimliche Erwartung. Nein, tut mir leid. Ich finde es einfach nur toll! Impressionen aus Berlin: Eine Schulklasse marschiert die Nationalhymne singend an unserem Redaktionsgebäude vorbei. Im eher linken Szenebezirk Prenzlauer Berg stimmen die Besucher eines großen Biergartens fast geschlossen „Einigkeit und Recht und Freiheit“ an – und stehen dazu auf! Und in Kreuzberg skandiert eine Gruppe türkischer Mädchen begeistert: „Deutschland! Deutschland! Deutschland!“ Asserate: Wunderbar! Mich erfaßt eine unglaubliche Freude, wenn ich so etwas sehe oder höre! Auch bei uns in Frankfurt herrscht eine ganz besondere Stimmung, wie ich sie seit 1968, dem Jahr, in dem ich nach Deutschland gekommen bin, noch nicht erlebt habe. Ich glaube, wir werden in diesen Tagen ob dieses Glücks von fast allen Nationen der Welt beneidet. Andererseits, kurz vor Beginn der WM äußerte ein Lieferant, der täglich zu uns ins Büro kommt, angesichts unserer heftig schwarz-rot-gold geschmückten Redaktionsräume verunsichert: „So ganz ohne Ausländer geht es aber auch nicht.“ Asserate: Non sequitur! Das besagt doch Ihr Flaggenschmuck gar nicht! Ich bin sicher, der Mann hat spätestens seit dem 9. Juni, dem Beginn der WM, dazugelernt. Vermutlich tut ihm seine Bemerkung schon leid. Heiner Geißler mahnt dieser Tage: „Es reicht langsam! Wenn die Fahnen fliegen, ist der Verstand in der Trompete. Wir haben den Zustand, daß uns der Verstand verlorengeht, bald erreicht.“ Asserate: Bei allem Respekt vor dem von mir persönlich geschätzten Herrn Geißler, aber ich kenne kein Volk, das so unsicher und oft so unzufrieden mit sich selbst ist wie die Deutschen. Und ich kenne auch kaum ein Volk, das so gern so hart ist gegen sich selbst. Ich hoffe aufrichtig, daß die Deutschen einmal zur Ruhe kommen werden. Und ich bin sicher, daß diese Weltmeisterschaft dazu beitragen wird. „Man spürt die Veränderung bei den Menschen“ Diese Art, wieder die Nationalsymbole zu zeigen, mit Fahnenmeer, Deutschland-Schminke und Autokorso, haben wir in den neunziger Jahren vor allem von den Ausländern abgeschaut. Asserate: Gott sei Dank! Glauben Sie nur nicht, daß es auf den Rest der Welt sonderlich sympathisch gewirkt hat, daß die Deutschen beim Thema Patriotismus immer so zurückhaltend waren. Es stimmt, es ist nicht ohne Ironie, daß jene, die die Deutschen immer griesgrämig zur „Weltoffenheit“ ermahnt haben, dem neuen Patriotismus mit den Weg geebnet haben: Denn was haben die Deutschen bei ihrer „weltoffenen“ Umschau entdeckt? Den Patriotismus! Die griesgrämigen Deutschland-Warner und -Hasser haben sich als „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ erwiesen, wie es im „Faust“ heißt. Wunderbar: Ein glückliches und ein sehr deutsches Ende! Der Journalist Ulf Poschardt ist sich da nicht so sicher, er schreibt in der „Welt“: „Geheilt werden die Deutschen nie“. Die vietnamesischstämmige ehemalige Viva-Moderatorin Minh-Khai dagegen hofft: „Vielleicht startet ja mit der WM ein gesunder Heilungsprozeß in dem Verhältnis, das wir zu unserem Land haben.“ Asserate: Ganz sicher! Ich finde, man spürt die Veränderung bei den Menschen, und die Verunsicherung vieler linker Politiker und Journalisten. Seit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung 1989/90 geht es doch Schritt für Schritt bergauf. Natürlich in kleinen Schritten, aber wir haben es hier schließlich mit einem historischen Wandel zu tun. Ein WM-Nachhaltigkeitsgesetz müßte her! Der Bundestag beschließt: Alles hat nach dem 9. Juli so zu bleiben wie bisher! Asserate: Schön wär’s! In Äthiopien hatte früher jede Arbeit zu ruhen, wenn die Nationalhymne gespielt wurde. Ein außerordentliches Erlebnis, wenn einmütig alle ihre Tätigkeit unterbrechen! Aber wir brauchen gar kein Gesetz. Dieser Tage sah ich einen zwölf-, dreizehnjährigen deutschen Jungen in einem brasilianischen Trikot auf der Straße. Ich fragte ihn besorgt, ob er denn nicht für Deutschland sei. Er war völlig entgeistert: „Heute spielt Deutschland doch gar nicht! Sondern Brasilien! Wenn Deutschland spielt, dann trage ich natürlich das deutsche Trikot!“ Ich hatte mir umsonst Sorgen gemacht! Es wird schon! Sie haben einmal im Interview mit dem „Spiegel“ gesagt, Sie wünschen sich, die Deutschen mögen wieder das Weinen lernen. Asserate: Ja, vor Ergriffenheit, wenn sie ihre Nationalhymne hören! Dazu hätten die Deutschen übrigens besonderen Grund, gehört der Text ihrer Hymne doch zu den schönsten überhaupt! „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“, da kann man sich doch nur beglückwünschen! Was für ein großartiges Programm, das sich die Deutschen da gegeben haben! Das sind doch wahrhaft demokratische Werte, die für jede Nation eine Zier sind! Aber die Tugend, vor patriotischer Ergriffenheit zu weinen, ist in Deutschland leider so gut wie ausgestorben. Warum? Asserate: Eine Rolle spielt natürlich die Vergangenheit. Als ich 1968 als Student erleben mußte, wie drei deutsche Kommilitonen, mit denen ich ins Elsaß fuhr, sich dort als Österreicher ausgaben, habe ich einen regelrechten Kulturschock bekommen! So richtig haben aber erst die Achtundsechziger den Patriotismus zerstört. Sie haben ihn entweder zu etwas mehr oder weniger „Rechtsextremistischen“ erklärt – womit sie ihn erst den wahren Rechtsextermisten überlassen haben -, oder sie haben versucht, ihn durch einen Frankenstein, einen kalten, artifiziellen „Verfassungspatriotismus“ zu ersetzen. Deshalb freut es mich, daß da nun endlich eine deutsche Jugend ist, die sich dagegen wehrt! Was ist das eigentlich, „Patriotismus“? Asserate: Wir müssen natürlich zwischen Hurra-Patriotismus, den die Engländer „Jingoism“ nennen, und dem Patriotismus im klassischen Sinne unterscheiden. Wahrer Patriotismus ist für mich eine Bürgerpflicht: für sein Land, sein Volk und seine Nation einzustehen. Das ist auch sehr konkret das, was der derzeitige WM-Patriotismus vermittelt. Ich bin sicher, obwohl das Ganze manchmal nur wie eine große Party aussieht, die Leute spüren, daß es um mehr geht. Nämlich darum, daß wir zusammengehören und daß wir zusammenhalten: die Urerfahrung jeder Nation. Wir können gar nicht ermessen, in wie viele kleine Mädchen- und Jungenherzen da der Keim der Sympathie mit Deutschland gelegt wird! Denn Patriotismus ist auch etwas Innerliches. Die Deutschen haben ein schönes Wort dafür: Vaterlandsliebe. Es ist eine Herzenssache. Sie ist so grundlegend, daß man auch von einem Menschenrecht sprechen könnte. In Deutschland hat man meist vergessen, daß Patriotismus zuerst eine Sache der Schöngeister und Gebildeten war, der Humanisten. Sie entdeckten die Schönheit der eigenen Sprache, der heimatlichen Landschaft, den Ruhm der eigenen Geschichte. Mancher könnte derzeit auf die Idee kommen, Patriotismus habe zwangsläufig mit Körperbemalung, Flaggen-Inflation und komischen schwarz-rot-goldenen Hüten zu tun und er paare sich grundsätzlich nur mit Curry-Wurst, Weizenbier und „So ein Tag!“-Gesängen. Tatsächlich aber hat er vor allem mit Bildung, Anstand und Herzensbildung zu tun. Er ist vor allem eine Kategorie der menschlichen Erhabenheit, der Schönheit und des Edelmuts. Ein weiteres weitverbreitetes Mißverständnis in Deutschland ist, daß er im Widerspruch zum Kosmopolitismus steht. Falsch! Er bildet vielmehr dessen Voraussetzung. Allerdings, wenn es zum Schwur kommt, kann kein Mensch mehr Kosmopolit sein. Dann ist es eine Tugend, zu wissen und jeden wissen zu lassen, wo man steht. Wie Charles de Gaulle, der große Europäer, der aber natürlich nie vergessen hat, daß er Franzose ist. „Verkrampft ist nicht das Volk, sondern die Journalisten“ Viele Medien bescheinigen den Deutschen dieser Tage überraschenderweise und auffällig intensiv, daß der erstaunliche schwarz-rot-goldene Rausch „irgendwie ganz normal und überhaupt nicht beängstigend“ sei. Kann man da eine gewisse Hilflosigkeit heraushören? Asserate: Daß ihnen dabei nicht ganz wohl ist, merkt man deutlich. Ich glaube, der Grund dafür, warum viele Medien nicht wie früher daran herumkritteln, sondern eher versuchen, sich mit ihrer Absolution an die Spitze zu setzen, ist, weil sie merken, daß es sich um einen Prozeß der Normalisierung handelt, hinter den man nicht mehr zurückfallen kann. Sie rüsten sich für ein künftiges Deutschland mit einem neuen Patriotismus. Matthias Matussek schreibt zu Recht von den vielen „traumlosen Spießern in Redaktionsstuben, Rundfunkanstalten und Parlamenten“ – traumlos, weil sie den „Traum von der geeinten deutschen Nation nicht teilen konnten“. Im Gegensatz zu ihren mäkelnden und motzenden „traumlosen“ Kollegen bescheinigen diese Journalisten den Deutschen eine „neue Unverkrampftheit“ im Umgang mit der Nation. Asserate: Unverkrampft mit der Nation ist die Mehrheit der Deutschen schon lange. Die Mehrheit des Volkes hat die Lehren der Wiedervereinigung schon längst kapiert. Im Grunde sind es diese Journalisten, die die neue, noch sehr zaghafte „Unverkrampftheit“ selbst erst entdecken und erproben müssen. Und die verschämt „den Deutschen“ das zuschreiben, was eigentlich nur sie selbst betrifft. So unverkrampft, wie sie beteuern, scheinen sie dabei noch nicht zu sein: Viele der Kommentatoren beruhigen sich mit der Formel, der „neue Patriotismus“ hätte mit dem „alten“ nichts zu tun. Asserate: Das sind die Probleme von Leuten, auf deren Ressentiments es in Zukunft nicht mehr ankommt. Überlassen Sie sie getrost ihren Bauchschmerzen. Die Abgrenzung eines „neuen Patriotismus“ von einem „alten“ ist völlig unsinnig. Der neue Patriotismus ist nichts anderes als die Rückkehr des alten. Denn Vaterlandsliebe ist weder neu noch alt, sondern höchstens stark oder schwach. Und auch der angeblich „alte“ deutsche Patriotismus war eine hoch ehrenwerte Sache. Männer wie etwa Bismarck, Stauffenberg oder Willy Brandt waren allesamt Ehrenmänner und Patrioten. Es scheint, mehr oder weniger heimlich hoffen sie darauf, daß alles wieder vorbeigeht: Bis dahin gilt es, alles unauffällig in ruhige Bahnen zu lenken, Fähnchen zu schwenken, in der Hoffnung, daß das Volk nichts merkt. – Ähnlich wie im Herbst 1989. Asserate: Einer immerhin scheint es dagegen wirklich ernst zu meinen: Spiegel-Kulturchef Matthias Matussek. Es ist spürbar, daß er gerade nicht daran interessiert ist, den neuen Patriotismus rational zu begründen und politisch zu bändigen. Er beklagt vielmehr gerade das als das Problem. Das angeblich „deutsche“ des Verfassungspatriotismus nennt er treffend „ein fades Sammelsurium von Selbstverständlichkeiten“, die für „jede andere aufgeklärte Nation ebenfalls gelten“, es handle sich um ein von „kulturellen Identifikationen absolut gereinigtes Konstrukt“. Das ist neu! Das ist genau das Gegenteil von dem, was Journalisten und Politiker sonst als „neuen Patriotismus“ zuzulassen versuchen. Herrn Matussek sollten Sie nicht aus dem Auge lassen! Matussek stellt auch fest: „Wenn in Deutschland das Wort Nation fällt, kommt der Arzt.“ Asserate: Ja, weil sie in einer Kultursendung im Fernsehen, beim Bericht über sein Buch, gleich einen Psychiater befragt haben. Es ist schon auffällig: Gleich finden sich auch Journalisten, die unters Volk bringen, daß Matussek Spiegel-intern sowieso schon immer zu den unbeliebeten Kollegen gezählt habe. Tenor: Wer so was vertritt, der ist auch menschlich mangelhaft. Das ist schon pathologisch. „Man braucht keine Gründe, um sein Land zu lieben“ Auch Florian Langenscheidt nennt „250 Gründe, unser Land zu lieben“ – vorsichtshalber fügt er allerdings hinzu „heute“. Asserate: Sicher ist auch Langenscheidts Buch „Das Beste an Deutschland“ sehr lesenswert. Was mir aber an Matussek besonders gefällt, ist, daß er letztlich nicht nach Gründen sucht. Ich will Ihnen erklären, was ich meine: Die Deutschen sind doch eigentlich eines der glücklichsten Völker der Welt. Sie haben ein blühendes Land, sind ausgesprochen wohlhabend, international geachtet, blicken auf eine stolze Geschichte zurück, Deutschland hat der Welt auf allen Feldern, sei es Kunst, Kultur oder Wissenschaft, unendlich viel gegeben. Dennoch sind die Deutschen meist äußerst unzufrieden mit ihrem Land, oft sehen sie sich sogar nicht in der Lage, mit dem Begriff deutsch noch etwas anzufangen. Sehen Sie sich dagegen Äthiopien an: Sicher haben wir auch eine altehrwürdige, sogar noch viel ältere Geschichte als Deutschland. Aber ansonsten ist Äthiopien arm, chaotisch, vom Bürgerkrieg gezeichnet, keiner schaut bewundernd zu uns auf. Trotzdem dankt der Äthiopier Gott jeden Tag voller Stolz: „Herr, danke, daß ich ein Äthiopier bin! Ich wollte nichts anderes sein!“ Prinz Asfa-Wossen Asserate . Der äthiopische Prinz und Bestsellerautor bezeichnet sich selbst als „großen Freund Deutschlands“. Der Autor des 2003 erschienenen, von der Kritik einmütig gelobten Buches „Manieren“ (Eichborn) kam 1968 als Student nach Deutschland. Der Großneffe des letzten christlichen Kaisers Haile Selassie von Äthiopien wurde 1948 in Addis Abeba geboren, studierte Volkswirtschaft und Jurisprudenz in Tübingen, später in Cambridge Geschichte und Politikwissenschaften. Heute lebt er als Unternehmensberater und Publizist in Frankfurt am Main. Im April frisch erschienen: die von ihm vorgestellte Neuauflage von „Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abessynien“ (Eichborn) des Adolph Freiherr von Knigge. weitere Interview-Partner der JF

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