Seit seiner Rede vor dem UnoSicherheitsrat Ende vorletzter Woche ist der französische Außenminister zum Liebling jenes Frankreichs avanciert, das immer noch der Erhabenheit Ludwigs XIV oder Napoleons nachtrauert. Für die Rechte wie für die Linke ist Dominique de Villepin der Mann, der „Nein“ zu den USA gesagt hat. De Villepins Rede wurde genauso mit Beifall quittiert wie die Nelson Mandelas. In Frankreich nehmen die Lobpreisungen seither kein Ende. Die rechte Wochenschrift Valeurs Actuelles feierte ihn als Held der französischen Diplomatie. Claude Chabrol, der Altmeister des französischen Kinos, sonst kein Freund politischer Amtsträger, kam ähnlich ins Schwärmen. Leitartikler und Kommentatoren schreiben ihm 1001Tugend zu: Mutig sei er, gebildet und intelligent – ein Prachtexemplar des homo politicus. Dabei hatte Dominique Galouzeau de Villepin bislang eher als aufbrausend, wenn nicht gar als Wüterich gegolten. Dieser treue Gefolgsmann des Jacques Chirac stammt aus bestem Hause. 1953 im marokkanischen Rabat geboren, wurde er schon in seiner Jugend zum Kosmopoliten. Die beruflichen Verpflichtungen seines Vaters, eines Industriellen und Senators, führten ihn um die Welt. Von 1978 bis 1980 studierte er an der Kaderschmiede der französischen Politik, der École nationale d’Administration in Paris. Der Absolvent des Institus für Politikwissenschaft schlug zunächst eine diplomatische Laufbahn ein. Nach Lehrjahren in Afrika und dem Nahen Osten übernahm er die Leitung des Pressedienstes der französischen Botschaft in Washington. Außerdem veröffentlichte er die zwei Gedichtsammlungen: „Parole d’exil“ und „Le Droit d’aînesse“. Schließlich berief ihn Jacques Chirac auf den heiklen Posten des Generalsekretärs im Elysée-Palast. Hier gewann der Diplomat rasch an Einfluß. 1997 riet er dem Präsidenten zu einem „Staatsstreich“. Der Präsident schlug alle Warnungen in den Wind und löste die Nationalversammlung in der Hoffnung auf, günstigere Mehrheitsverhältnisse zu schaffen. Statt dessen trug ihm diese unüberlegte Aktion aber die „Rückkehr“ der Linken und eine erneute Kohabitation ein. Über diese Katastrophe sieht man mittlerweile gnädig hinweg, um sich nur jenes „Neins“ an die Adresse des George W. Bush und der Inbrunst zu erinnern, mit der de Villepin es ausgesprochen hat. Kaum jemand macht sich Gedanken über die politischen Folgen dieser Geste. Doch darf man nicht vergessen, daß der, der sie zeigte vor zwei Jahren Napoleons verhängnisvoller Rückkehr von der Insel Elba einen Essay mit dem vielsagenden Titel „Die Hundert Tage oder der Geist des Opfers“ widmete. Politologen könnten hier eine gewisse Vorliebe für große Worte und eine gewisse Mißachtung politischer Realitäten vermuten – Neigungen, die sich in der Beschwörung einer „besseren Welt“ bestätigen, mit der de Villepin seine Rede vor dem UN-Sicherheitsrat abschlossen hatte.