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Gesetzesänderung: Innenministerium schlägt Selfie-Alarm

Gesetzesänderung: Innenministerium schlägt Selfie-Alarm

Gesetzesänderung: Innenministerium schlägt Selfie-Alarm

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Wahlkabinen in Berlin: Bald Selfie-Verbot? Foto: pictiure alliance/ dpa
Gesetzesänderung
 

Innenministerium schlägt Selfie-Alarm

Die Bundesregierung sieht durch Smartphones in der Wahlkabine die geheime Wahl bedroht. Das ist Unsinn. Jedem steht frei, sich zu seiner Entscheidung zu bekennen. Gegen Wahlrechtsgrundsätze wird an ganz anderer Stelle verstoßen. Ein Kommentar von Thorsten Brückner
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Die neueste Bedrohung der Demokratie ist etwa zwölf Zentimeter lang, fünf Zentimeter breit und kommt in der Hosentasche daher. Akuten Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung. Nicht etwa beim Wahlrecht, das nach der Bundestagswahl im September einen aufgeblähten Bundestag mit einer Rekordzahl an Abgeordneten hervorbringen könnte. Priorität hat für sie ein Smartphoneverbot in der Wahlkabine. Begründung des Bundesinnenministeriums laut Spiegel: Das Wahlgeheimnis soll gewahrt bleiben. Wahlgeheimnis? Wie bitte? Seit wann dürfen sich Bürger nach der Stimmabgabe nicht (freiwillig!) zu ihrer Wahlentscheidung bekennen?

Natürlich können Wahlkabinen-Selfies berühmter Persönlichkeiten, wie bei der US-Wahl von Donald Trumps Sohn Eric, die noch am Wahltag auf Twitter und Instagram zirkulieren die Entscheidung – gerader junger Wähler – beeinflussen. Aber dasgleiche trifft auf entsprechende Bekenner-Tweets ohne Bild zu, die ja auch nach wie vor erlaubt blieben.

Der Wähler hat keine Geheimhaltungspflicht

Mit dem Wahlgeheimnis hat die geplante Neuregelung jedenfalls nichts zu tun. Der Grundsatz der geheimen Wahl garantiert dem Bürger, seine Stimme ohne Kenntnisnahme anderer Personen abgeben zu können. Niemand kann und darf ihn zwingen, seine Wahlentscheidung zu offenbaren.

Aber das Wahlgeheimnis beinhaltet umgekehrt keine Pflicht für den Wähler, geheimzuhalten, wo er sein Kreuzchen gemacht hat. Wenn, wie nach den Plänen der Regierung, Wahlwillige, die in der Kabine ihr Handy zücken, als Sanktion daraufhin gar an der Stimmabgabe gehindert werden sollen, ist dies ein wesentlich gravierenderer Eingriff in den demokratischen Prozeß als sämtliche Prominentenselfies.

Die Grundsätze einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl (Artikel 38 Grundgesetz) sind an ganz anderer Stelle bedroht. Etwa der der Gleichheit, wenn, wie bei der vergangenen Wahl durch die Sperrklausel fast 16 Prozent der Stimmen unberücksichtigt bleiben. Oder der Grundsatz der freien Wahl angesichts der massiven Einschüchterungsversuche und Übergriffe unter anderem gegen AfD-Wahlkämpfer und der regierungsnahen Propaganda der Öffentlich-Rechtlichen.

Briefwahl kontra Wahlgeheimnis

Nicht zuletzt ist selbst die geheime Wahl auf ganz andere Art und Weise gefährdet, nämlich durch die Briefwahl. Hier entzieht es sich der Kenntnis der Behörden völlig, inwieweit Wähler möglicherweise durch intrafamiliären Zwang zur häuslichen Stimmabgabe genötigt und sie dort dann zu einer bestimmten Wahlentscheidung gedrängt werden.

Auch Stimmenkauf oder der Beeinflussung betreuungsbedürftiger Menschen wird durch die Briefwahl Tür und Tor geöffnet. Und wie verhält es sich eigentlich mit Briefwahl-Selfies vom heimischen Sofa? Sollen die auch verboten werden?

 

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Wahlkabinen in Berlin: Bald Selfie-Verbot? Foto: pictiure alliance/ dpa
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