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Nützt die Health-Claims-Verordnung deutschen Kunden?

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Nützt die Health-Claims-Verordnung deutschen Kunden?

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Die Plenarabstimmung des EU-Parlaments vom 16. Mai 2006 über die gesundheitsbezogene Werbung von Lebensmitteln ist ein Meilenstein für den Verbraucher- und Gesundheitsschutz in Europa. Das Parlament hat sich damit nun doch auf die Seite der Verbraucher gestellt. Es geht nicht um Werbeverbote, sondern um harmonisierte Mindeststandards für das Marketing. Diese Verordnung ist eine Schlüsselgesetzgebung, nicht nur für mehr Transparenz im Verbraucherschutz, sondern auch für mehr Gesundheitsschutz. Die Verordnung trägt entscheidend zum Gesundheitsschutz bei. Allein in der Bundesrepublik Deutschland geben wir 71 Milliarden Euro für ernährungsbedingte Folgekosten aus. Die Industrie kann Verbraucher nun nicht länger mit falschen Heilsversprechen wie „Kartoffelchips mit Calcium und Magnesium, gut für ihre Knochen! Schokoriegel mit Vitamin E, machen fit, auch in der Schule!“ in die Irre führen. Auf die Packung dürfen gesundheitsbezogene Werbeaussagen in Zukunft nur noch, wenn sie vom Hersteller wissenschaftlich belegt und von der EU-Kommission beziehungsweise der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) genehmigt werden. Zu fette, zu süße oder zu salzige Produkte können den europäischen Verbrauchern dann nicht mehr unter dem Deckmäntelchen von Gesundheit und Wellness untergejubelt werden. Irreführende Lebensmittelwerbung ist damit passé. Getreideflocken mit einem Zuckeranteil von 30 Prozent, übersüßte Schokoriegel, Fruchtgummi-Tierchen und probiotische Joghurtdrinks dürfen nicht mehr als „konzentrationsfördernd“ oder „mit den besten Zutaten“ beworben werden. Dieser skandalösen Augenwischerei der Lebensmittelproduzenten wird damit eine klare Absage erteilt. Der Verbraucherschutz in Europa erhält durch die Entscheidung des Europäischen Parlaments, die nun noch durch den EU-Rat verabschiedet werden muß, endlich wieder Auftrieb. Hildtrud Breyer ist Europaabgeordnete (Bündnis 90/ Die Grünen), spezialisiert auf den Verbraucher- und Gesundheitsschutz. Ein funktionierender Verbraucherschutz ist notwendig. Nicht zu begrüßen ist es allerdings, wenn unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit und die Freiheit der Berufsausübung über Gebühr beschränkt wird. Ein Paradebeispiel für übertriebenen Verbraucherschutz war das deutsche Rabattgesetz, das die Verbraucher jahrzehntelang vor niedrigen Preisen „schützte“. Es ist mindestens fragwürdig, ob die sogenannte Health-Claims-Verordnung wirklich die Interessen der Verbraucher schützt. Dagegen sprechen vor allem drei Gründe: Erstens existieren in allen EU-Mitgliedstaaten Vorschriften, die irreführende Werbemaßnahmen, etwa mit wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherten Angaben, verbieten. In Deutschland zum Beispiel im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Die Einhaltung der Vorschriften zum Lebensmittelrecht wird durch spezifische Behörden, durch Konkurrenten sowie durch Wettbewerbs- und Verbrauchschutzorganisationen streng überwacht. Die von der EU-Kommission proklamierte Irreführungsgefahr besteht – jedenfalls in Deutschland – nicht. Zweitens ist festzustellen, daß kein wissenschaftlich fundierter Beleg ersichtlich ist, der einen Kausalzusammenhang zwischen rechtmäßig verwendeten nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben einerseits und Ernährungsproblemen (zum Beispiel Übergewicht) andererseits herstellt. Zu befürchten ist drittens, daß aufgrund der komplizierten Regelungen der Health-Claims-Verordnung gesundheits- und nährwertbezogene Lebensmittelinnovationen nicht vorgenommen werden oder dem Verbraucher erst erheblich später zur Verfügung stehen. Die bezweckte Beschränkung der Werbemöglichkeiten ist daher nicht nur aus Sicht der betroffenen Unternehmen und deren Arbeitnehmern grundsätzlich fragwürdig. Zu befürchten ist, daß von ihr negative Folgen für die Verbraucher ausgehen. Marc L. Holtorf , Rechtsanwalt, ist Experte im Wettbewerbs- und Markenrecht in der internationalen Sozietät Clifford Chance.

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