Eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Kongo ist eine Notwendigkeit. Wenn die deutschen Soldaten voreilig abgezogen werden, besteht die Gefahr, daß das Land danach im Chaos versinkt. Die Wahlverlierer würden den Abzug der Truppen höchstwahrscheinlich ausnutzen und zu den Waffen greifen. Der Kongo würde erneut mit einer Welle der Gewalt überzogen. Deswegen ist es zu früh, die deutschen Soldaten bereits im November zurückzuholen. Die Wahlen liegen zu diesem Zeitpunkt noch zu kurz zurück. Daß gerade deutsche Soldaten den gefährlichen und umstrittenen Einsatz leiten, wird aus kongolesischer Sicht sehr begrüßt. Man erhofft sich viel von den Deutschen. Erstens ist die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf den Kongo durch die deutsche Präsenz um ein Vielfaches gestiegen. Dadurch sind fairere Wahlen möglich, denn der Handlungsspielraum für korrupte Politiker hat sich mit der Anwesenheit einer Weltmacht – und als solche wird Deutschland dort angesehen – wesentlich verringert. Zweitens herrscht im Kongo ein sehr gutes Bild von den Deutschen. Die Bevölkerung schätzt vor allem ihre gute Organisationsfähigkeit. Außerdem wird davon ausgegangen, daß Deutschland nicht unbedingt von seinen militärischen Mitteln, sondern eher von seiner politischen Weltmachtposition Gebrauch machen wird, um die Stabilität nach den Wahlen aufrechtzuerhalten. Französische Soldaten gibt es im Kongo zwar schon seit sehr langer Zeit, aber sie haben insgesamt wenig erreicht. Sie haben die Situation nicht in den Griff bekommen und dadurch das Vertrauen der Kongolesen verloren. Aus kongolesischer Sicht hat man bei den Deutschen, im Gegensatz zu den Franzosen, auch keine Bedenken, daß sie unter dem Deckmantel der Demokratie in Wirklichkeit eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen. Roland Prejawa ist Vorstandsvorsitzender des Vereins Pro-Afrika e.V., der sich für Völkerverständigung und Entwicklungshilfe für Afrika einsetzt. Es ist nicht ganz klar, ob der jetzige Bundeswehreinsatz im jahrelang vom Bürgerkrieg gezeichneten Kongo eher zum Lachen oder zum Weinen ist. Im Grunde genommen ist der Einsatz bereits jetzt einfach nur armselig, denn er hat überhaupt nichts mit Landesverteidigung zu tun, sondern ist rein politisch motiviert. Deshalb können der Einsatz und die dahinter stehenden Motive insgesamt nur als Degeneration und geistiger Verfall bezeichnet werden. Aus deutscher Sicht haben solche Einsätze mehr mit der Geschichte Deutschlands zu tun als mit der eigentlichen Lage im Kongo. Früher reichte bei der Verlegung von einigen Hunderten Soldaten, wenn die Entscheidung von einem Hauptmann oder sogar von einem Leutnant getroffen wurde. Heute entscheidet der Verteidigungsminister zusammen mit der Kanzlerin – selbst über solche Minieinsätze. Außerdem ist es einfach lächerlich, daß ein großes Land mit über achtzig Millionen Menschen, das zu den reichsten und mächtigsten der Welt gehört, sich solche Sorgen um einen kleinen und unbedeutsamen Bundeswehreinsatz in Afrika macht. Und das alles nur, solange es keine Verluste gibt. Außerdem ist zu fragen, ob solche winzigen Kräfte überhaupt irgend etwas im Kongo bewirken können und ob sie Deutschland nicht eher nützten, wenn sie zum Beispiel gezielt gegen den Terrorismus eingesetzt würden. Es ist im allgemeinen fraglich, ob Europa sich auf anderen Kontinenten überhaupt einmischen muß. Es gibt zahlreiche Länder, dazu gehören unter anderem Korea und Vietnam, die noch vor einigen Jahrzehnten in einer ähnlichen Situation waren und es trotzdem geschafft haben, alleine auf die Beine zu kommen. Warum sollte der Kongo das nicht hinbekommen? Prof Dr. Martin van Creveld ist Historiker an der Hebräischen Universität Jerusalem.
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