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Berechtigte Klagen

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Die Ärzte in Deutschland fanden bisher nicht den Mut, ihre Interessen offensiv zu vertreten. Jetzt tun sie es und streiken gegen Bürokratie, Überlastung durch 60-Stunden-Wochen und sinkende Vergütungen. 146.000 Krankenhaus- und 125.000 niedergelassenen Ärzte machen auf Mißstände aufmerksam, die vom Bundesgesundheitsministerium zu verantworten sind. Doch Ministerin Ulla Schmidt geht es nur ums Geld. Ob es sich bei Beitragssatzerhöhungen um eine Beitragsimplosion oder eine Kostenexplosion handelt, interessiert die SPD-Politikerin nicht. Dabei sind Einnahmen und Ausgaben der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) in erheblichem Maß für die Finanzmisere der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verantwortlich. Denn der Solidarausgleich zwischen den Generationen ist nicht mehr haltbar. Diese Erkenntnis ist politisch unbequem. Die Diskussion über eine richtige Beitragsbeteiligung der Rentner an der GKV wird aber tabuisiert. Statt dessen wird den Ärzten nicht nur die Morbidität der Bevölkerung aufgebürdet, sondern auch die sich seit Jahren abzeichnende mangelnde Vorsorge für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der GKV. Der Rückgang der Honorare für den einzelnen Arzt bei gleichzeitig steigenden Praxiskosten ist die Folge. 30 Prozent aller niedergelassenen Ärzten müssen mit einem Nettoeinkommen von maximal 2.000 Euro auskommen. Schmidts Berater, der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsökonomie Karl Lauterbach glaubt die Schuldigen an der Misere zu kennen: Es seien die Kassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die gemeinsam den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) als Gebührenordnung erarbeitet haben. Doch der EBM sorgt nur für eine möglichst gerechte Verteilung des vorhandenen Geldes. An dem aber fehlt es. Das gilt für Vertrags- wie Krankenhausärzte. Die staatliche britische Gesundheitsbehörde NHS wies schon 2004 in einer Studie darauf hin, daß deutsche Krankenhausärzte erheblich weniger verdienen als Kollegen in Dänemark, den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien und Spanien. Lauterbach aber tönte in der Zeit: „Wenn jeder dieser Ärzte das Festgehalt eines Universitätsprofessors bekäme, käme es die gesetzliche Krankenversicherung immer noch billiger“. Doch kein Professor finanziert seinen Arbeitsplatz selber. Vertragsärzte hingegen müssen Miete, Heizung, Einrichtung, medizinische Geräte, Angestellte, Krankenversicherung (ohne Beihilfe) und Altersversorgung voll finanzieren. Obwohl die deutschen Ärzte schlecht bezahlt und überlastet sind, hat ein Sechs-Länder-Vergleich mit Neuseeland, Großbritannien, Kanada, Australien und den USA dem deutschen Gesundheitssystem die kürzesten Wartezeiten und verläßliche und schnelle Laborbefunde bescheinigt. Deutsche Patienten bekommen im Krankenhaus seltener eine Infektion, und chronisch Kranke werden häufiger und regelmäßiger vorbeugend untersucht. Das die Ärzte Jahr für Jahr mit mehr Bürokratie in Praxis und Krankenhaus geplagt werden, erkennt Lauterbach an. Daran sei die Regierung jedoch nicht schuld. Daß die Sozialgesetzgebung, insbesondere das „Sozialgesetzbuch V – Gesetzliche Krankenversicherung“ Jahr für Jahr geändert wird und die Reformen der Reformen natürlich mehr Bürokratie erforderlich machen, will ihm nicht in den Kopf. Mit einer Bonus-Malus-Regelung im SGB V sollen die Ärzte nun sogar die wirtschaftliche Verantwortung für ihre Rezepte übernehmen. Sie werden mit Honorareinbußen bestraft, wenn sie staatlich festgesetzte Verordnungsmargen überschreiten. Finanziell belohnt werden sie, wenn sie darunter geblieben sind. Wie das mit dem Ziel einer rationellen Therapie mit hochwirksamen Medikamenten vereinbart werden kann, ist schleierhaft. Bedrohlich ist auch das Problem der Überalterung der Ärzte. 1991 betrug der Anteil der unter 35jährigen Ärzte 27,4 Prozent, 2004 war es nur noch 16,4 Prozent. Gleichzeitig betrug der Anteil der über 59jährigen Ärzte 2004 11,8 Prozent, 1991 waren es nur 7,5 Prozent. Im Bereich der niedergelassenen Ärzte spitzt sich die Situation noch deutlicher zu. 7,9 Prozent von ihnen sind unter 40 Jahre alt. Der Anteil der über sechzig Jahre alten Ärzte lag 2004 schon bei 19 Prozent. Die Hinweise mehren sich, daß die bereits approbierten Ärzte ihren klassischen Tätigkeitsfeldern Krankenhaus und Praxis den Rücken kehren und in anderen Bereichen tätig werden, in denen eine geregelte Arbeitszeit und ein lukrativeres Gehalt zu erwarten sind. Setzt sich die Meinung durch, Ärzte könnten ruhig weniger verdienen, denn anderen Menschen ginge es in Deutschland ja ähnlich, dann wird es ein böses Erwachen geben. Wer sechs Jahre Medizinstudium hinter sich hat und mindestens fünf Jahre Weiterbildung zum Facharzt, die er vorweisen muß, um sich als Vertragsarzt niederlassen zu können, wird sich im Alter von 32 bis 35 ernsthaft überlegen, ob er denn unbedingt das Risiko einer Niederlassung eingehen soll. Wenn das eine wachsende Zahl von jungen Ärzten überlegt, wird es in Großbritannien, Norwegen, Schweden und Dänemark deutsche Ärzte geben und viele Ärzte in der Industrie, Verwaltung oder den privaten Praxen. Im kurativen Bereich werden dann jedoch Vertragsärzte und Krankenhausärzte fehlen.

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