Nach dem Grundgesetz reicht es aus, wenn der Bundestag den Europäischen Verfassungsvertrag als Gesetz beschließt. Reicht das aber wirklich? Jedes Staatengebilde beruht letztlich auf einem Konsens seiner Bürger. Was passiert, wenn die Bürger sich nicht mit ihrem Staat und ihrer Verfassung identifizieren, konnten wir in Deutschland zuletzt 1989 erleben: Der Staat steht vor dem Ende. Wenn die Europäische Union eine Zukunft haben soll, muß ihre Verfassung von den Bürgern getragen werden. Die Tschechen, Dänen und Franzosen, die Luxemburger, Iren und die Niederländer, die Portugiesen, Spanier und Briten und wahrscheinlich die Polen werden über die Verfassung abstimmen. All diese Länder führen Kampagnen, um Europa dem Bürger näherzubringen. Es ist nicht einzusehen, daß den Deutschen Rechte vorenthalten werden, die andere Völker ganz selbstverständlich zukommen. Auch deshalb hat die FDP im Bundestag eine Volksabstimmung beantragt. Es ist typisch für Deutschland, daß die politische Führung dem Volk nicht traut. Es ist auch typisch, daß echte Liberale das anders sehen. Selbst Außenminister Fischer, Deutschlands prominentester Basisdemokrat, flüchtet sich in den sicheren Hafen des Grundgesetzes, das Plebiszite nicht vorsieht. Der Bürger kann seine Souveränität nach dem Grundgesetz nur durch die Wahl von Vertretern wahrnehmen – mit einer Ausnahme: Nach Art. 29 muß der Bürger gefragt werden, bevor sein Gebiet an ein anderes Bundesland geht. Es ist inkonsequent, daß der Bürger bei der Frage, ob und wie sich Deutschland in eine übergeordnete Staatsstruktur integriert, nicht mitreden darf. In der zu beschließenden Verfassung selbst heißt es: „Geleitet von dem Willen der Bürgerinnen und Bürger und der Staaten Europas, ihre Zukunft gemeinsam zu gestalten …“ Wenn dies kein Lippenbekenntnis sein soll, braucht die Verfassung die Zustimmung der Bürger. Nino Ruschmeyer ist FDP-Ortsvorsitzender in Winsen (Luhe). Schon der Entwurf einer Verfassung für die Europäische Union stand im Kreuzfeuer der Kritik. So stritt man sich um ernste Dinge, angefangen vom Gottesbezug bis hin zu einem Recht auf Arbeit. Dabei handelt es sich bislang um einen Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für die Europäische Union, also eine Fortschreibung und Komprimierung der bisherigen Verträge. Man sollte glauben, daß durch ein neues Vertragswerk die Sache einfacher wird, dem scheint aber nicht so, da man auf allen Seiten das Bedürfnis hat, bestimmte Dinge sehr genau zu regeln. Daher halte ich es auch für sehr schwierig, den Bürgern die Entscheidung über ein so juristisch anspruchsvolles, aber vor allem sehr umfangreiches Werk aufzuhalsen. Wüßten die Bürger, worüber sie abstimmen? Ich fürchte eher nein. Nicht daß ich es den Deutschen nicht zutrauen würde, über eine Verfassung abzustimmen, aber über einen ausgehandelten Kompromißvertrag in Romanlänge? Außerdem fehlt uns in Deutschland schon verfassungsrechtlich die Voraussetzung, eine solche Abstimmung über eine Europäische Verfassung abzuhalten. Für ein europäisches Vertragswerk hat das deutsche Volk in demokratischer Wahl seine Vertreter bestimmt, die die Pflicht haben, sich über diesen Vertragsentwurf zu informieren und dann darüber zu urteilen. Hinzu kommt, daß über andere einmalige historische Entwicklungen in Deutschland auch keine Volksabstimmungen stattfanden, das gilt für den Beitritt zur Nato und zur damaligen EWG. Auch „nur“ Verträge, die allerdings unser Deutschland bis heute nachhaltig beeinflussen und unser Zukunft gestalten. Übrigens hätte man sich im Vorfeld persönlich und sogar per Internet am Entwurf beteiligen können. Demokratie ist eine sehr mühsame Staatsform, aber sie sollte durchschaubar für die Bürger bleiben. Jürgen Hecht ist Bundesvorsitzender der Paneuropa Jugend Deutschland mit Sitz in München.