In Schweden und in Dänemark steht jeder dritte Erwerbstätige in den Diensten des Staates. In Großbritannien ist die öffentliche Hand der Arbeitgeber von 22 Prozent, in den USA von 16 Prozent der Beschäftigten. In Deutschland sind gerade einmal 12,5 Prozent der Arbeitnehmer Staatsdiener, jeder Dritte von ihnen ist Beamter. Wenn es denn schon gilt, überfällige Reformen zu Lasten einer Minderheit ins Werk zu setzen, ist unser Gemeinwesen im internationalen Vergleich also wie kaum ein anderes dazu prädestiniert, den Rotstift insbesondere bei jenen anzusetzen, die in seinem Solde arbeiten. Dafür spricht im übrigen nicht allein die Statistik. Beamte haben in unserem Land ihren guten Ruf, so ihnen denn überhaupt jemals ein solcher zu eigen gewesen sei sollte, längst eingebüßt. Einer überwältigenden Mehrheit der Bürger gelten sie als faul, saturiert, inflexibel und risikoscheu. Über sie dürften nicht weniger Witze kursieren als über sexuelle oder ethnische Minderheiten. Zur Verteidigung ihrer Interessen wird sich daher so leicht niemand einfinden, der keinen Spott seiner Mitmenschen auf sich ziehen möchte. Ihnen selbst wiederum sind die Hände gebunden. Beamte sind zu besonderer Loyalität gegenüber ihrem Dienstherren verpflichtet und verfügen in Arbeitskämpfen nicht einmal über das Streikrecht. Stehen ihnen alle nicht bloß demokratisch, sondern durch die Gewohnheit auch als verfassungstreu legitimierten Parteien in einer Art Einheitsfront gegenüber, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als demütig abzuwarten, welches berufliche Schicksal die Politik für sie vorsieht. Eine gewisse Orientierung mag ihnen das Reformkonzept bieten, das Innenminister Otto Schily nun vorgelegt hat. Wie vermutet werden durfte, zielt es darauf ab, ihre „Eigenverantwortung, Motivation und Leistungsbereitschaft“ zu steigern. Ohne auf die Privilegien längerer Arbeitszeiten und geringerer Einkünfte als in der privaten Wirtschaft verzichten zu müssen, sollen Beamte zu einer stärkeren Kundenorientierung angehalten werden. Über das für alle Seiten kostenneutrale Umdenken hinaus, könnte dies für sie bedeuten, daß sie sich generell auf flexiblere Arbeitszeiten, etwa auch in den Abendstunden oder am Wochenende, einzustellen haben. Darüber hinaus soll ihre Besoldung in Zukunft vor allem an ihrer Leistung orientiert sein. Da es die Vorgesetzten sind, die über diese zu entscheiden haben, wird so ein Anreiz geschaffen, sich mehr denn je diszipliniert und weisungstreu zu verhalten. Unter dem Strich dürften die Beamten mit dem Reformvorschlag Schilys aber gut leben können. Da das neue System „für eine Übergangsphase“ mehr kosten wird als das alte, müssen sie derzeit offenbar keine finanziellen Einbußen befürchten. Für wirkliche Reformen, die nach 2006 vielleicht tatsächlich einmal ins Haus stehen sollten, sind sie rechtzeitig vorgewarnt: An das soziale Gewissen, das sich über Hartz IV mokierte, werden sie nicht zu appellieren wagen.