Daß die Russen lernfähig sind, haben sie erneut bei der Präsidentenwahl in Tschetschenien gezeigt. Während in Zeiten des real existierenden Sozialismus Wahlergebnisse von 99 Prozent aufwärts gang und gäbe waren, gibt man sich heuer mit 74 Prozent der Stimmen zufrieden. So geschehen im Falle des moskauhörigen Kandidaten Alu Alchanow. Bei näherem Hinsehen erklärt sich dieses Ergebnis relativ leicht. Die Zustimmung zu Alchanow durfte nicht größer ausfallen als die für sein gewaltsam beseitigten Vorgänger Kadyrow, in dessen Regierung Alchanow den Innenminister mimte. Nichts anderes als Zählkandidaten waren Alchanows Widersacher Abdullah Bugajew, Mowsar Chadimow und Wacha Wissajew, denen ein zweistelliges Ergebnis nicht zugestanden wurde. Auch wenn sie Beschwerde gegen die Wahl eingelegt haben: Am Ergebnis wird dies nichts mehr ändern. Ganz im Sinne Moskaus erklärte Alchanow nach der Wahl, weder mit dem vertriebenen und legitimen Präsidenten, nämlich Aslan Maschadow, noch mit den „Separatisten“ oder Islamisten reden zu wollen. Den Sohn des ermordeten Präsidenten, Ramsan Kadyrow, ernannte er zum Vizepräsidenten. Dessen Eintritt in die Regierung war bereits vor der Wahl ausgemachte Sache. Kadyrow war nach dem Tod seines Vaters als Präsidentschaftskandidat im Gespräch. Moskau gab – nicht nur aus Altersgründen – dann doch dem gemäßigteren Alchanow vor dem als „Schläger“ geltenden Kadyrow den Vorzug. Moskau darf vorerst zufrieden sein: Diese Personalauswahl garantiert, daß sich in absehbarer Zeit in Tschetschenien nichts ändert.
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