Der 19jährige Ugur I. wird bezichtigt, Anfang Mai eine junge Frau in einer Hamburger S-Bahn-Station vor einen anfahrenden Zug gestoßen zu haben. Sie entging dem Tod, weil eine Freundin geistesgegenwärtig eingriff. Ugur I. droht nun nach Jugendrecht eine Höchststrafe von zehn Jahren. Diese würde er voraussichtlich zur Hälfte absitzen, danach könnte – zumindest theoretisch – die Abschiebung in seine türkische Heimat erfolgen. Die Kosten des Prozesses, der Haft und schließlich seiner etwaigen Ausweisung wird der deutsche Steuerzahler zu tragen haben. Die „Bild“-Zeitung rechnet vor, daß dafür in den nächsten Jahren deutlich über 200.000 Euro zu veranschlagen sein könnten. Was ist die Alternative? Sollte man Ugur I. etwa vorzeitig abschieben, wie es das Springer-Boulevardblatt unterschwellig nahelegt? Die Signalwirkung eines derartigen Vorgehens wäre fatal. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, in dem die unselige Debatte über die sogenannte Ausländerkriminalität verstummt und selbst durch die EU-Osterweiterung nicht erneut auf die Tagesordnung geraten ist, drohte unser Land zu einem Magneten der internationalen Kriminalität zu werden, weil festgenommene Straftäter angesichts knapper öffentlicher Kassen schlimmstenfalls mit dem kostenlosen Transfer in ihr Herkunftsland zu rechnen hätten. Vor lauter Haushaltsdisziplin und Bequemlichkeit blieben Abschreckung und Gerechtigkeit auf der Strecke. Wie es anders gehen könnte, macht die Republik Österreich vor. Sie reagiert auf die wachsende Zahl rumänischer Delinquenten, indem sie in deren Heimat ein Gefängnis baut, dessen Betrieb in Zukunft von Wien finanziert wird. Die Ersparnis ist frappant: In Österreich kostet ein Häftling pro Tag ungefähr 100 Euro, in Rumänien werden es vermutlich gerade einmal 10 Euro sein. Das alpenländische Modell sollte in einem zusammenwachsenden Europa und vielleicht sogar darüber hinaus leicht Nachahmer finden können. Mit ein wenig Innovationsbereitschaft läßt es sich zudem vielfältig variieren und ergänzen. Warum sollte es zum Beispiel nicht möglich sein, daß über kurz oder lang auch Häftlinge mit deutschem Paß ihre Strafe etwa in ukrainischen oder türkischen Justizvollzugsanstalten absitzen? Auch eine Übertragung der Idee auf ganz andere Bereiche öffentlicher Dienstleistungen ist vorstellbar. Schon heute fahren viele Bundesbürger nach Polen, um dort für preiswerten Zahnersatz zu sorgen. Was steht dem entgegen, unseren östlichen Nachbarn auch unter dem Aspekt zu entdecken, daß man seine landschaftlichen Schönheiten dafür nutzt, Pflegeeinrichtungen zu errichten, deren Betriebskosten hierzulande nirgends zu unterbieten wären? Neue Perspektiven für einen Ausweg aus der demographischen Falle täten sich auf: Die Einwanderung junger, dynamischer Menschen wäre nicht mehr das alleinige Heilmittel. Sie würde durch eine Abwanderung älterer Bürger ergänzt, von denen nicht wenige unsere heute Lage mitverantworten.