Angela Merkel hat in den vergangenen Wochen all jene Lügen gestraft, die ihr vorwarfen, über kein politisches Profil zu verfügen. Die CDU, so das Credo der Kohl-Erbin, ist keine Partei, die ihr Fähnchen nach dem Wind hängt. Es mag ja sein, daß die überwältigende Mehrheit der Menschen in diesem Land nur Unverständnis für den Überfall der Willigen auf den Irak aufbringt und dieser Mangel an Haltung und Verantwortung sogar auf die Reihen der Union übergegriffen hat. Eine Politik aber, der im Gedächtnis geblieben ist, wer Deutschland im vergangenen Jahrhundert durch zwei Interventionen zu dem gemacht hat, was es heute ist, darf sich durch so etwas nicht beirren lassen, wenn sie verhindern will, daß sich Geschichte wiederholen könnte. Die CDU ist die einzige Partei, die dieses historische Verständnis aufbringt, weil sie an der Wiege der Bundesrepublik stand und mit den Bedingungen seelisch verwachsen ist, unter denen das junge Gemeinwesen nach allem, was geschehen war, zugelassen werden konnte. Sie stellte mit Konrad Adenauer den ersten Kanzler der Alliierten und mit Helmut Kohl den vorläufig letzten, der sich dieser Tradition verpflichtet gefühlt hat. Wir dürfen angesichts seines Kotaus vor dem Antiamerikanismus bezweifeln, daß Edmund Stoiber daran hätte anknüpfen können. Angela Merkel hingegen ist es zuzutrauen, daß sie in die Fußstapfen der Polit-Titanen zu treten vermag. Schon fern der Regierungsverantwortung stellt sie klar, daß sie nicht bloß auf Augenblicksstimmungen keine Rücksicht nehmen möchte. Wo es gilt, wirkliche Weichenstellungen vorzunehmen, darf die Meinung der Bevölkerung nicht den Ausschlag geben. Hätte die Politik auf die Menschen gehört, sähe die Bundesrepublik heute ganz anders aus. Wir wählen eine Regierung nicht, damit sie unseren Willen umsetzt, sondern um einen Verantwortlichen dafür zu haben, daß das geschieht, was notwendig ist. Was dies im Einzelfall heißt, entscheiden wir nicht allein, sondern bestenfalls gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten. Deutschland war selbst in jenen Jahren, in denen von ihm eine Gefahr ausging, keine relevante militärische Größe und stellt heute erst recht keine Friedensmacht dar. Die westliche Wertegemeinschaft wird nicht durch Prinzipienreiterei gesichert, sondern durch die Einsicht in ihre realen Bedingungen. Fünf Jahrzehnte lang durften sich die USA darauf verlassen, daß die Deutschen ihre Lektion gelernt hätten. Fünf Jahre Schröder haben gereicht, um diesen Vertrauensbonus zu verspielen. Angela Merkels klare Positionierung kommt daher zur rechten Zeit. Sie signalisiert Washington, daß Deutschland noch nicht verloren ist. Anders als im Irak ist eine Erneuerung von innen möglich. Zudem weist die CDU-Chefin den grassierenden Irrationalismus in seine Chancen, ohne wirklich um Stimmen fürchten zu müssen. Wenn der nächste Bundestag gewählt wird, werden längst wieder dringlichere Themen als Krieg und Frieden auf der Tagesordnung stehen.