Was sich in den letzten drei Wochen hierzulande politisch abspielte, hatte mit einer „Affäre Hohmann“ nur am Rande zu tun. In Wirklichkeit gab es eine Bewährungsprobe für die Union. Sie hat sie nicht bestanden und als konservative Kraft in Deutschland abgedankt. Sie hat sich einer Sprachregelung unterworfen, die das ideologische Gerüst von Lobbygruppen und notorischen Nationalmasochisten bildet. Sie hat sich damit der Möglichkeit begeben, ihnen Widerstand zu leisten und alternative Konzepte entgegenzustellen. Ihre Niederlage entspringt nicht der Stärke der Gegner, sondern der eigenen Schwäche. Denn nichts kam unerwartet, schon gar nicht die Einseitigkeit der Presse und der funkelektronischen Medien. Sie haben getan, was sie immer tun. Ihre politische Gleichschaltung hat einen Grad erreicht, der es ihnen nicht einmal mehr gestattet, ihre Einfalt als Vielfalt zu tarnen. SPD und Grüne haben ihr parteipolitisches Süppchen gekocht und die „Affäre“ benutzt, um endlich wieder in die Offensive zu kommen. Alles andere wäre merkwürdig gewesen. Das Problem liegt bei der Union. Sie hätte bei entschlossener Gegenwehr auf eine breite öffentliche Unterstützung bauen können. Selten war die Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung so eklatant wie jetzt, und noch nie ist sie für die Medien selbst zu einem derartigen Problem geworden. Die Meinung der Bürger, soweit sie sich in Leserbriefen oder Befragungen überhaupt niederschlagen konnte, war eindeutig. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sah sich veranlaßt, die Art seiner Berichterstattung zu rechtfertigen. Mochten die Moderatoren ihr Kinn noch so keß nach oben recken, in ihren Augen flackerte die Furcht, daß die Meinungsfreiheit, von der sie nur reden, sich tatsächlich Bahn brechen könnte und für ihre Manipulationen kein Bedarf mehr bestünde. Aufgabe der Union wäre es gewesen, die Diskussion vom Kopf auf die Füße zu stellen, so wie Norman Finkelstein es bei seinem denkwürdigen Auftritt in der Christiansen-Talkshow getan hat. Finkelstein bezeichnete die Hohmann-Rede als miserabel und nahm trotzdem ihren Urheber vor dem Vorwurf des Antisemitismus in Schutz. Er stellte fest, daß es in Deutschland keinen nennenswerten Antisemitismus gebe, nur eine bewußt geschürte Hysterie. Deren Urhebern gehe es gar nicht um berechtigte jüdische Belange, sondern um politische, materielle und militärische Interessen. Und überhaupt müßte der Begriff „Antisemitismus“ erst einmal definiert werden, sonst könne man nicht sinnvoll mit ihm hantieren. Die Unfähigkeit der Union, die aufgekochte „Affäre“ um die Hohmann-Rede auf ihren taktischen und strategischen Kern zurückzuführen, zeugt vom handwerklichen Versagen und der intellektuellen Verzwergung ihrer Führung. CDU/CSU sind nicht mehr in der Lage, Begriffe zu besetzen und kampagnefähig zu werden. Der Fluch des Pharaos hat sich erfüllt. Der ewige Vorsitzende Helmut Kohl duldete nur Satrapen um sich, für Debatten über die Grundlagen der Politik, über den Wertekanon und den Komment der Partei hatte er nichts als Verachtung übrig. Die Nachwuchspolitiker der CDU hatten folgerichtig nichts, worauf sie sich stützen konnten. Sie litten und leiden unter einem habituellen Minderwertigkeitskomplex und sind glücklich, von einer Presse, die ganz andere politische Ziele hat als ihre Wählerschaft, als vollwertig und „modern“ anerkannt zu werden. Ein abschreckendes Beispiel ist der windelweiche, verlegen grinsende Generalsekretär Laurenz Meyer, der an eine Blockflöte aus der Ost-CDU erinnert. Er stammt aber aus Nordrhein-Westfalen. Was soll bei diesem Personal die von Angela Merkel angekündigte Diskussion über „Patriotismus“ noch bringen? Zumal seit dem Hohmann-Ausschluß klar ist, daß innerparteiliche Redefreiheit nur noch im Rahmen einer „gelenkten Demokratie“ à la Wladimir Putin gegeben ist? Hauptverantwortlich für das Desaster der Union ist aber nicht Angela Merkel, sondern der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber. Mit seiner Äußerung im ZDF, wer wie Hohmann die „Einzigartigkeit des Verbrechens des Holocaust“ hinterfrage, verlasse den „Verfassungsbogen“, setzte er Merkel unter öffentlichen Druck. Sie konnte nun gar nicht mehr anders, als den Ausschluß des „Verfassungsfeindes“ Hohmann zu betreiben. Ohne Not, nur um einen kleinen taktischen Vorteil im Kampf um eine neue Kanzlerkandidatur zu erreichen, hat der CSU-Chef sich mit linken Gesinnungsschnüfflern verbündet und die Union auf die geschichtspolitischen Thesen von Habermas & Co. festgeklopft. Den langfristigen Flurschaden, den er angerichtet hat, hat Stoiber noch nicht einmal begriffen. Er ist der erfolgreichste Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes, aber er ist kein Staatsmann. Er hat sich als ein komplexbeladener Winkeladvokat entlarvt, der in der Politik seine narzistischen Kränkungen auslebt. Für eine Kanzlerschaft fehlen ihm die politischen, intellektuellen und charakterlichen Voraussetzungen. Das gleiche gilt für eine mögliche Präsidentschaft. In den vergangenen drei Wochen sind ein paar letzte Illusionen geplatzt. Schade drum? Nein, ganz im Gegenteil! Der Selbstbetrug hat ein Ende!
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