ERFURT. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hat der Online-Plattform X zum Jahreswechsel den Rücken gekehrt. Die EKM habe ihren Account geschlossen, teilte die Landeskirche am Donnerstag mit. Allerdings war der Account am Donnerstagmittag noch abrufbar, wurde also bis dahin nicht gelöscht. Auf der Website der EKM war bereits im Dezember der Querverweis auf den X-Account entfernt worden.
Zur Begründung führte die Kirche aus, die Verbreitung „von Desinformationen, Rassismus, Antisemitismus, Trans- und Queerfeindlichkeit sowie gewaltverherrlichenden Inhalten“ habe auf X in den vergangenen Monaten stetig zugenommen: „Menschenverachtung und Falschmeldungen bestimmen mittlerweile die Diskurse auf der Plattform.“
Auch andere Kirchen-Profile nicht mehr aktiv
Zudem kreidet die EKM dem sozialen Netzwerk an, daß es 2023 aus dem EU-Abkommen zur Bekämpfung von Desinformation im Internet ausgestiegen sei. „Nach dem christlichen Menschenbild haben ausnahmslos alle Menschen ihre Würde“, argumentiert die Landeskirche. Daraus folge der Einsatz „für Schwächere, für Weltoffenheit statt Nationalismus, für Menschlichkeit statt Fremdenhaß, für Lösungen statt Angstmacherei“.
Der Account, unter dem die EKM twitterte, war im Januar 2015 registriert worden. Der letzte dort angezeigte Beitrag stammt aus dem August vergangenen Jahres. Mit ihrem Schritt folgt die mitteldeutsche Landeskirche anderen kirchlichen Profilen. So zog sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bereits zum 1. Oktober von X zurück.
Deren Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs, interpretierte jüngst die neue Jahreslosung für 2025 explizit mit Blick auf das Wahljahr: „Man prüfe genau, wer zur Menschenfreundlichkeit fähig ist – und ordne es ein, wenn Extremisten Nächstenliebe nur fürs eigene Volk fordern.“ Die Jahreslosung in diesem Jahr lautet „Prüft alles und behaltet das Gute“.
„Zensur, Rassismus, Antisemitismus“
Immer wieder ziehen sich bekannte Persönlichkeiten und Institutionen öffentlichkeitswirksam von ihren Accounts bei X zurück. So unterzeichneten im Dezember dutzende Persönlichkeiten, darunter Journalisten und Politiker, einen offenen Brief zu ihrem Rückzug von der Plattform.
„Seit der Übernahme durch Elon Musk ist Twitter kein Ort mehr für freie und faire Meinungsäußerung und einen offenen Austausch“, erklärten sie. „Schlimmer noch, Twitter ist ein Ort der Zensur, des Rassismus, Antisemitismus und des rechten Agendasettings geworden.“ Zu den Unterzeichnern gehörten ZDF-Moderatorin Dunja Hayali und die SPD-Politikerin Sawsan Chebli. (ser)