Das Ende der Dienstfahrt kam plötzlich. Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot, bekannt für sein Zögern und Zaudern in der Regierung Macron, begründete seinen Rücktritt vor den Journalisten mit wohl gesetzten und überlegten Worten in einem Live-Interview im Radio. Man habe in den 15 Monaten der bisherigen Regierungszeit nichts erreicht, weder beim Ausstieg aus der Atomenergie, noch bei der Reduzierung der Treibhausgase, noch beim völligen Verzicht auf das Düngemittel Glyphosat. „Ich will nicht weiter lügen“, sagte Hulot. Deshalb trete er „noch heute“ zurück und alle verstanden, daß diese Regierung nicht nur in der Umweltpolitik Theaterkulissen hin- und herschiebt.
Seinen Rücktritt hatte Hulot vorher niemandem kommuniziert – weder dem Präsidenten noch dem Premierminister. Diese spielten das politische Ereignis herunter. Hulot sei „ein freier Mann“, was man an ihm so sehr geschätzt habe. Es werde demnächst, also nach der Sommerpause, eine ordentliche Regierungsumbildung geben und es bestehe kein Grund zur Aufregung.
Umweltpolitische Trägheit
Die Opposition jazzte das Ereignis hoch, immerhin war Hulot als Staatsminister nach dem Premier und dem Staatsminister für Inneres die Nummer drei der Regierung. Aber das ist die Form. In der Sache spielt Umweltpolitik in Frankreich kaum eine Rolle, weshalb die Grünen bei Wahlen auch immer ziemlich mager abschneiden.
Zwar genießen sie in den Medien eine Form von politischem Artenschutz, weil auch in Frankreich die Umwelt zum religiös angehauchten Sinnersatz für viele Journalisten geworden ist, aber der prophetische Eifer, mit dem Umweltthemen in Deutschland insbesondere in den öffentlich-rechtlichen Anstalten betrieben und verkündet werden, ist den französischen Kollegen dann doch etwas fremd.
Gerade diesen Eifer vermisste Hulot in der Politik. Das aber kommt nicht von ungefähr. Politiker schielen nach der Meinung in der Bevölkerung und hier ist eine gewisse umweltpolitische Trägheit bis Gleichgültigkeit zu beobachten, die von Lobbyisten der Industrie, der Agrarwirtschaft und der Jägervereinigungen genutzt und gefördert wird.
Rücktritt zur Unzeit
Daran haben sich schon viele Umweltpolitiker die Zähne ausgebissen. Frankreichs erster Umweltminister, Robert Poujade, schrieb 1975 seine Erfahrungen in einem Buch mit dem bezeichnenden Titel nieder: „Das Ministerium des Unmöglichen“. Nur selten hat es einer seiner Nachfolger länger als zwei Jahre auf dem Posten ausgehalten. Die meisten betrachteten das Amt als Trampolin oder als Stufe zu klassischen Ressorts.
Es ist auch höchst unwahrscheinlich, daß Frankreich den Nuklearanteil an der Energieversorgung wie geplant von heute 75 Prozent auf 50 Prozent bis 2025 zurückfahren wird. Das Geschäft ist zu vielversprechend, gerade wegen der zu erwartenden Nachfrage aus dem Nachbarland Deutschland, das unter den Kosten der überstürzten Energiewende ächzt.
Für Präsident Macron kommt der Rücktritt sehr ungelegen. Er wollte das Ende der Sommerpause mit einer PR-Aktion beginnen, indem er die Spitze der Jägerverbände ins Elysee einlud, um sich als Mann der kleinen Leute und der Provinz darzustellen. Die zwei Millionen Jäger in Frankreich verdienen in der Regel weniger als der Durchschnittslohn und auf diese Weise wollte er dem Image des „Präsidenten der Reichen und der großen Städte“ entgegenwirken.
Sarkozy hält Aufregung für übertrieben
Aber das Geschenk an die Jäger – Halbierung der Jagdgebühren, Erhöhung des Jagdvolumens – erwies sich als der Tropfen, der das Faß des Zweifels bei Hulot zum Überlaufen brachte. Hulot gehört zu den populärsten Politikern Frankreichs, sein Rücktritt wird allgemein bedauert. Das zeigen die ersten Umfragen zum Rücktritt.
Drei von vier Franzosen begrüßen den Schritt, weil er mit dem persönlichen Ringen Hulots um Glaubwürdigkeit ein Ende setzt. Mit anderen Worten: Sie halten die Regierung nicht für glaubwürdig. Das Image des Präsidenten dürfte nun darunter leiden, zumal Hulot bald wieder als Umweltaktivist auftreten wird.
Unter den Stimmen der Opposition zum Rücktritt fällt die des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy auf. Er hält die mediale Aufregung um die Demission für übertrieben, es gebe größere Probleme als einen Amtswechsel, nämlich die Einwanderung und die kommende Finanzkrise. Hier müsse die Politik aktiv werden, statt dem Alarmismus in Umweltfragen nachzulaufen.
„Er fährt Frankreich an die Wand“
Insofern kann, so läßt sich folgern, Macron über den Rücktritt und die kommende Regierungsumbildung fast froh sein, lenkt diese doch von den wahren Problemen ab. Für diese Probleme hat der Globalisierer, EU-Reformplauderer und Freund der Hochfinanz im Elysee kein Rezept in der Schublade.
Der Chef der Opposition und Vorsitzende der Republikaner, Laurent Wauquiez, resümierte die seit Wochen unterschwellige Kritik an Macron in einem Satz: „Er fährt Frankreich an die Wand“. Freilich weiß niemand, wie weit die Wand entfernt ist, aber Hulots Ausstieg aus dem Regierungswagen hat die Fahrt sicher beschleunigt.