Sind die Mannschaften, die sich bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien unter den Flaggen der teilnehmenden Länder versammeln, tatsächlich „Nationalmannschaften“? Einen „kosmopolitischen Karneval“ hat die niederländische Zeitung de Volkskrant ausgemacht: Von den 736 Spielern, die 2014 insgesamt zum weltweiten Wettbewerb auflaufen, spielen 85 nicht für das Land, in dem sie geboren wurden; 247, mehr als ein Drittel, besitzen eine Doppel-Staatsbürgerschaft.
Neun davon spielen allein für die Niederlande, deren Spieler auch ghanaische, kongolesische und in gleich fünf Fällen zugleich solche der ehemaligen Kolonie Surinam in der Tasche haben. Für Kamerun treten auch französische Staatsbürger an. Frankreichs „Bleus“ könnte man mitunter mit einer afrikanischen Mannschaft verwechseln. Bei der Marseillaise singen sie zwar immer noch nicht mit, aber wenigstens spielen sie jetzt disziplinierter und erfolgreicher. Dafür zittern die französischen Sicherheitsbehörden vor Spielen, in denen es für Algerien kritisch wird, denn dann droht Randale in den Vorstädten.
Den Extremfall einer Begegnung Frankreich-Algerien hat die DFB-Auswahl unseren Nachbarn mit ihrem Achtelfinalsieg immerhin erspart. So bunt zusammengewürfelt wie die Schweizer „Nati“, deren Aufstellungen sich manchmal wie ein Einwanderungsregister lesen, ist die deutsche Mannschaft nicht; in Otmar Hitzfelds Truppe kann man die gebürtigen Eidgenossen aber an einer Hand abzählen. Dafür hat man bei Trainer Jogi Löw des öfteren den unguten Eindruck, daß bei seinen Kaderentscheidungen und Spielaufstellungen die penetrante multikulturelle Volkspädagogik, die sich sein Arbeitgeber DFB auf die Fahnen geschrieben hat, eine unangemessen große Rolle spielt.
Auf’m Platz zählen nicht Facebook-Kontakte, sondern Leistung
Nicht nur die italienische Fachpresse war erstaunt, daß für den verletzten Marco Reus in letzter Minute ausgerechnet der in der italienischen Seria A in keiner Weise besonders auffällige Shkodran Mustafi nachnominiert wurde. Die naheliegenden Kandidaten hatten allesamt nur stinknormale deutsche Namen zu bieten. Trüge er einen ebensolchen, wäre der zwischenzeitlich zum Genie und Messias verklärte und inzwischen weitgehend entzauberte Mesut Özil nach dem vielbeschworenen Leistungsprinzip wohl schon länger ein Fall für die Streichliste. Und über Extrawürste für Löws Liebling, den weithin überschätzten Sami Khedira, dürfte sich nicht nur Bastian Schweinsteiger ärgern.
Aber wichtig is’ auf’m Platz (Adi Preißler). Und da entscheidet nicht, welcher Medienliebling die meisten Facebook-Kontakte hat. Da hat ein schweigender Schweinsteiger allemal mehr zu sagen als all die vorgestanzten und glattgeschliffenen Null-Antworten auf überflüssige Reporterfragen, die man ruhig öfter mal so kernig abgebürstet hören möchte wie von Per Mertesacker. Es bleibt also spannend!