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Kölns Müll und Broders Ossis

Kölns Müll und Broders Ossis

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Kölns Müll und Broders Ossis

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Eine Ossi-Wessi-Diskussion bald 25 Jahre nach der Wiedervereinigung anzufangen, zeugt vom Hang zu Anachronismen. Gelegentlich höre ich derlei noch bei stark westdeutsch Sozialisierten im Verwandten- und Bekanntenkreis. Da ist die ältere Verwandte, die immer noch von „denen in der DDR“ redet, wenn sie in den TV-Nachrichten einen Bericht aus Sachsen oder Brandenburg sieht. Gelegentlich poltert in der Kneipe auch noch ein älterer Kumpel los, wie gut es „uns“ (gemeint sind die Wessis) finanziell gehen würde, wäre nicht diese Wiedervereinigung dazwischengekommen. Ich bin dafür aber der falsche Ansprechpartner, plädierte ich doch nachweislich bereits Mitte der 80er Jahre für die deutsche Einheit als Angelegenheit des Herzens und ließ nachts auf menschenleerer Straße am 3. Oktober 1990 eigens Feuerwerksraketen in die Luft steigen.

Letztlich ist die Wiedervereinigung geglückt. Stasi und SED haben ausgedient. Kein Stacheldraht trennt uns mehr. Luftqualität und Umwelt haben sich verbessert. Viele Altstädte konnten saniert und damit gesamtdeutsches Kulturgut für die Nachwelt gerettet werden. Und die Hoffnung liegt auf den jungen Menschen unter 30, für die die deutsche Teilung gar nicht mehr zur eigenen Erfahrungswelt gehört. Als ich beispielsweise vor drei Jahren nachts in einer Hamburger Bar von einer 19-jährigen Auszubildenden des Friseurhandwerks angeflirtet wurde, stellte sich heraus, daß sie aus Mecklenburg stammte. Sie sagte mir: „Nach Bayern will ich nicht mehr. Da wurde ich bei einem Besuch gleich als ‘DDR-Schlampe’ beschimpft. Ey, als ich geboren wurde, gab es gar keine DDR mehr. Was habe ich also damit zu tun?“

Eine heutzutage angeleierte Ossi-Wessi-Diskussion soll also nicht auf reale landsmannschaftliche Unterschiede hinweisen, die es auch zwischen Ostfriesen und Oberbayern gibt. Sie dient vielmehr der Absonderung von national unproduktivem Sozialneid und der Ablenkung. Eine innerdeutsche Neiddebatte verschleiert nämlich so schön, wieviele Steuergelder mittlerweile für Bankenrettung, EU-Umverteilung, aufgezwungene Militäreinsätze und Folgen der Zuwanderer-Freizügigkeit verwendet werden.

Tristesse, Vewahrlosung, Müll

Um so bemerkenswerter, daß jüngst auch Henryk M. Broder die alte Leier bemühte, als er kurz vor Weihnachten „Die Verelendung der westdeutschen Provinz“ beklagte. Broder berichtete über die „Tristesse“ und Verwahrlosung westdeutscher Städte. So erschrak er über die Verwahrlosung Kölns, als er dort einmal das „Excelsior Hotel Ernst“ verließ, um zu einem Buchladen im Eigelstein-Viertel zu schlendern. Müll und Häßlichkeit hätten sich im Stadtbild breit gemacht. „Während der Osten piekfein saniert wurde, zerbröckeln Städte zwischen Düsseldorf und Stuttgart“, schreibt er. Der „Niedergang ganzer Regionen“ sei spürbar, und die Politik habe sich damit „offenbar abgefunden“.

Sicherlich sieht die Situation hinsichtlich des Sanierungsstandes im Osten unseres Landes heute weit besser aus als 1989. Damals stand es 5 vor 12 für die Rettung vieler maroder Altstädte, die bei zehn Jahre längerer DDR-Herrschaft wohl abgerissen und durch Plattenbauten ersetzt worden wären. Von „blühenden Landschaften“ sind die östlichen Bundesländer vielerorts allerdings noch entfernt. Broder müßte seine Nase nur einmal aus den Leipziger Luxushotels, in denen er wohl zu gastieren pflegt, stecken und sich in den entvölkerten Stadtlandschaften von Zeitz oder Dessau umblicken, um seine These einer Revision zu unterziehen.

Nun ist es unbestritten, daß große Summen seit der Wiedervereinigung in die östlichen Bundesländer flossen. Der Spiegel sprach 2009 von 1,3 Billionen Euro. Allerdings war dies notwendig, da durch Krieg und DDR-Mißwirtschaft ein vier Jahrzehnte langer Investitionsstau angelaufen war. Man hätte also gar nicht anders handeln können, es sei denn, man hätte auf die Wiedervereinigung verzichtet, sich im rheinischen Kleinstaat eingerichtet, das Staatsbürgerrecht radikal verändert und zugleich gegen den Zuwanderer aus dem Osten abgeschottet. Ein Szenario, das der offiziellen Staatsräson der BRD und dem Grundgesetz zuwidergelaufen wäre. Doch ich glaube nicht, daß Broder wirklich so dumm ist, gewisse westdeutsche Zustände nur dem Solidarpakt zuzuschreiben. Die in den Transfer-Euros schwelgenden Ossis dürften die letzten sein, die für den laxen Umgang mit Müll in Köln verantwortlich sind.

Presse plustert Scheinprobleme auf

Broder erinnert hier an große Teile der hiesigen Presse, die Scheinprobleme aufbläst, um reale Ursachen nicht nennen zu müssen. Der kluge Leser liest längst zwischen den Zeilen, weil er weiß, daß ihm brisante Informationen meist vorenthalten werden: Hier demonstrieren „junge Leute“ für ein „Kulturzentrum“ und prügeln sich deshalb mit der Polizei. Dort verletzt ein nicht näher beschriebener „Messerstecher mit dunklen Haaren“ einen Kneipenbesucher. Dann ermordet noch „ein Vater“ aus unerfindlichen Gründen seine Tochter. Oder eine Gruppe „Jugendlicher“ raubt einem Schüler das Handy. Seltsame Vorgänge, für die es in Medien kaum Erklärungen gibt.

Ebenso ohne offenbar erkennbare Ursache berichten Medien bisweilen von der regionalen Zunahme von Autodiebstählen, von illegal abgeladenem Sperrmüll oder Metalldiebstahl, der auch vor Kirchen nicht haltmacht. Wenn sie denn überhaupt darüber berichten und nicht relativieren.

Das all dies auch etwas mit der Zuwanderung, mit der offiziell erwünschten „Buntheit“ und „Vielfalt“ zu tun haben könnte, wird möglichst auf kleiner Flamme gekocht. Doch Menschen bewegen nicht nur ihre Körper, sondern bringen auch kulturelle Prägungen und Verhaltensmuster mit, wenn sie umziehen. Und diese verändern eben auch das Gesicht des Ortes, in den sie ziehen, sei es durch anderen Umgang mit Lärm, Müll oder Konfliktbeseitigungsmustern. Eine Gesellschaft, die noch bewußt auf eine konkrete Leitkultur verzichten will, kann dem sogar kaum erzieherischen Einhalt gebieten.

Sekundärtugenden und deren Träger auf dem Rückzug?

Könnten also die von Broder wahrgenommenen Verwahrlosungsmomente in vielen westdeutschen Städten eher mit bestimmten Zuwanderungszahlen zu tun haben? Oder damit, daß die deutsche Stammbevölkerung, oft gerühmt und kritisiert für die „Sekundärtugenden“ Ordnung und Sauberkeit, dort auf dem Rückzug ist?

2011 berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger vom Eigelstein als dem „bunten Veedel“. Das „kölsch-türkische Viertel“ habe sich gerade aus dem „Würgegriff bulgarischer Clans“ befreit. Ein „Viertelsmanager“ zur Lösung der allgegenwärtigen Konflikte werde von den Anwohnern gewünscht. Aber die Stadt habe kein Geld für eine solche AB-Maßnahme. Für Henryk Broder offenbar kein Problem. Die Ossis sind schließlich schuld an den dortigen Zuständen. Man streiche nur den Soli, und die westdeutschen Probleme dürften bald gelöst sein.

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