Des Waffenrechts möge ich mich doch einmal annehmen, bat mich ein interessierter Leser Anfang des Jahres. Ich antwortete ihm, daß ich dafür nun wahrlich kein Experte bin. Beim Militär war ich nicht und bedauere das nicht einmal, bin auch kein Mitglied eines Schützenvereins. Gleichwohl sagte ich zu, das Thema im Auge zu behalten und gegebenenfalls einmal eine Leserdiskussion anzuregen.
Das deutsche Waffenrecht gilt als eines der international strengsten. Dabei gehörte es einst hierzulande zum demokratischen Selbstverständnis, auch das Waffenrecht für die Bürger zu fordern. So wurde in Opposition zu Fürsten und Militär während der Revolutionszeit von 1848 das Recht, Waffen zu tragen, zu den Rechten des freien Mannes gezählt. Auch die Gründer der Sozialdemokratie, August Bebel und Wilhelm Liebknecht, waren Anhänger der „Volksbewaffnung“ nach Schweizer Vorbild. Sie stellten sich damit gegen die Machtposition des preußischen Militärs.
Die Entwaffnung der Bevölkerung hatte aber nach dem Verschwinden der Monarchie 1918 andere Ursachen. Sie war eine Forderung der Siegermächte des Ersten Weltkriegs, festgehalten in Artikel 177 des Versailler Vertrags. Da der Waffenbesitz nicht registriert worden war, konnte das diesbezügliche Gesetz allerdings nur unvollständig in die Praxis umgesetzt werden. Erst 1928 kam es zu einer umfassenden Regelung des Waffenrechts mit diesbezüglicher Registrierungspflicht. Über Waffen- und Erwerbsscheine konnten Waffenbesitzer registriert werden. Das Führen einer Waffe galt dabei als legitimes Mittel für eine eventuelle Selbstverteidigung.
Hitler ließ Regimegegner entwaffnen
Um diese zu verhindern, machten sich die Nationalsozialisten auch ab 1933 umgehend an die Entwaffnung von Regimegegnern und des jüdischen Bevölkerungsteils, indem sie Waffenerwerbscheine einzogen. Funktionäre von Partei und SS wurden dagegen vom Führen von Waffenscheinen befreit.
Der alliierte Kontrollratsbefehl Nr. 2 von 1946 versuchte eine allgemeine Entwaffnung durchzusetzen. Nach gewissen Lockerungen war es seit 1956 Privatpersonen wieder erlaubt, Schußwaffen zu besitzen. Das erste einheitliche Bundeswaffengesetz entstand 1968. Eine Bundesratskommission betrieb ab 1970 auf Hamburger Initiative die Reform des Waffenrechts. Schon der bloße Waffenbesitz wurde nun bereits als Gefahr für die Allgemeinheit interpretiert, obwohl es keine Statistik über eine deliktrelevante Verwendung von Jagd- oder Sportwaffen gab. So kam es 1972 zu einer Grundgesetzänderung, auf die die Meldepflicht für zuvor frei erwerbbare Waffen eingeführt wurde. Das Waffenrecht wurde im Laufe der Jahre immer weiter verschärft. So wurde es unter anderem auf bestimmt Wurf- und Schlagwaffen ausgeweitet, zum Beispiel Wurfsterne und Butterflymesser.
Die bestehenden Gesetze schränken somit den Besitz legaler Waffen stark ein, obwohl sie laut Angaben der Gewerkschaft der Polizei im Jahr 2000 an nur ca. drei Prozent der Straftaten mit Schußwaffen beteiligt waren. Die Zahlen dürften auch heute nicht viel anders sein. Das heißt, die ständige Verschärfung des Waffenrechts trifft nur die Bürger, die sich an die Gesetze halten, legal Waffen erwerben und anmelden. Das eigentliche Problem aber erreicht das Waffenrecht gar nicht, denn ca. 97 Prozent der Schußwaffendelikte werden mit ohnehin illegalen Waffen ausgeführt.
Mit Einzelfällen die Masse rechtschaffender Bürger anprangern
Zwar ist das Problem nicht zu leugnen, daß sich in der Vergangenheit einige psychisch desolate Jugendliche nicht sorgfältig verschlossener Sportwaffen bedient haben, um damit Schulhofmassaker anzurichten, so 2002 am Erfurter Gutenberg-Gymnasium und 2009 in Winnenden. Die erschreckende Nachahmung amerikanischer Vorbilder wurde von Vertretern der linken Parteien dazu genutzt, den Ruf nach einem verschärften Waffenrecht zu erheben. Diese wahrlich bedrückenden Einzelfälle (die in den USA aufgrund fahrlässigen Umgangs mit Schußwaffen leider häufiger vorkommen) sollten indes nicht dazu verleiten, die Masse an rechtschaffenen Bürgern anzuprangern, die trotz Waffenbesitz nicht gegen die Gesetze verstoßen. Die meisten von jugendlichen Tätern verursachten Schwerverletzten und Toten werden zudem durch den Gebrauch von Messern und Fäusten verursacht. Derzeit sind zum Beispiel in Hessen etwa 477.000 Waffen bei 114.000 Privatleuten registriert, was einerseits doch für eine erhebliche Zahl für Waffen in Privatbesitz spricht, andererseits dafür, daß trotzdem noch kein Kleinkrieg ausgebrochen ist.
Nun argumentieren die Gegner einer weitergehenden Waffenfreigabe damit, daß mehr Waffen das Risiko von Straftaten steigen läßt. Waffennarren und psychisch Labile könnten bei Affekthandlungen größeren Schaden anrichten, als mit einem Küchenmesser. Kriminelle könnten leichter an Waffen gelangen, die sie sich nicht auf dem Schwarzmarkt besorgen müßten. Die Angst geht sogar so weit, schon heute Maßnahmen gegen den möglichen Selbstbau von Waffen aus dem 3-D-Drucker einzuleiten.
Dem stehen die Sorgen der Sportschützen gegenüber, die sich zunehmend gegängelt fühlen. Durch die Eintragung in ein „Nationales Waffenregister“, so wird befürchtet, könnten Daten über den persönlichen Waffenbesitz auch in die Hände von Unbefugten geraten, man somit zur Zielscheibe von Kriminellen werden, die es entweder auf historische Wertstücke aus Sammlungen abgesehen haben oder sich schlicht mit Schußwaffen kostenlos eindecken wollen.
Vertrauen in die Schutzpflicht des Staates schwindet
So wird auch die simple Gleichung „Mehr privater Waffenbesitz = Mehr Straftaten“ von Kritikern in Frage gestellt. Offenbar scheinen ganz andere Gründe eine Rolle zu spielen, zum Beispiel die Bevölkerungszusammensetzung, Raumordnung und die kulturelle Prägung. Beispielsweise liegt die Mordrate in New York bei 13,2 je 1.000 Einwohner bei restriktivem Waffengesetz und nur elf Prozent privatem Schußwaffenbesitz, in Vermont aber bei 0,7 je 1.000 Einwohner bei liberalem Waffenrecht und 35 Prozent privaten Schußwaffenbesitzes. Obwohl Kanada prozentual auf ca. 65 Prozent der Haushalte mit Schußwaffen im Vergleich zu den USA kommt, finden dort im Vergleich nur 10 Prozent an Schußwaffenmorden statt.
Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Mordrate in New York bei liberalerer Waffengesetzgebung noch höher wäre. Die Hauptursache für die Verbrechen liegt aber ganz offenbar nicht am Zugang zu legal registrierten Waffen.
Es gibt einen noch weiterreichenden Aspekt. Bei den Befürwortern eines liberaleren Waffenrechts dürften nicht nur Sport-Argumente eine Rolle spielen. Immer wieder bekomme ich mit, daß die Sorge vor bürgerkriegsähnlichen Unruhen und vor ausuferndem Verbrechen gerade in bürgerlichen Kreisen ausgeprägt ist. Man traut den Staatsorganen nicht mehr zu, im Ernstfall einer Verschärfung der sozialen Krise noch die Interessen der Bürger ausreichend zu schützen. Personaleinsparungen und ethnische Durchmischungen bei der Polizei und die Lagebeschönigung durch die politisch-korrekten Eliten tun ihr übriges, diese Furcht zu untermauern.
Furcht der Eliten vor dem eigenen Volk
Viele Kriminelle sind ohnehin mit illegalen Waffen eingedeckt, viele Einwanderer stammen zudem aus Bürgerkriegsgebieten und sind mit der Handhabung von Waffen faktisch aufgewachsen. Demgegenüber könnte der deutsche Normalbürger wehr- und schutzlos dastehen, wenn er sich nicht mehr auf den staatlichen Schutz verlassen kann. Durch eine Waffenfreigabe hoffen viele Bürger, sich wenigstens im Ernstfall selbst schützen zu können, eventuell im Rahmen von Bürgerwehren.
Doch dies werden EU und der bundesdeutsche Staat nicht zulassen. Man würde damit das Gewaltmonopol gefährden. Und bereits in der Debatte um Volksabstimmungen oder eine Direktwahl des Bundespräsidenten oder die außenpolitische Einbindung Deutschlands zeigt sich die immense Furcht der Eliten vor dem eigenen Volk. Der „furor teutonicus“ soll auf jeden Fall eingehegt werden, indem man ihm möglichst viele Fesseln anlegt.
Bürgerwehrstrukturen oder gar eine Art modernen Bauernaufstand wird man also im Keim ersticken. Beispielsweise existiert bereits seit 2006 die Eurogendfor als europäische paramilitärische Polizeieinheit, die auch darauf geschult ist, mögliche soziale Unruhen zu bekämpfen. Wie man Unruhen definiert, obliegt den politisch Verantwortlichen. Notfalls wird sogar eher demokratischer Protest der Repression ausgesetzt, als daß man wehrbereiten Bürgern noch den Erwerb legaler Waffen zugesteht.