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1. Klasse – der Luxus, den wir selber gerne hätten

1. Klasse – der Luxus, den wir selber gerne hätten

1. Klasse – der Luxus, den wir selber gerne hätten

 

1. Klasse – der Luxus, den wir selber gerne hätten

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Während einer mehrstündigen Bahnreise, die ich neulich mal wieder unternommen habe, dröhnte ich mich mit News aus meinem Smartphone zu. Da kam mir plötzlich der Tilman Schade von der Grünen Jugend Schleswig-Holstein in die Quere. Also: Digital, als Online-Nachricht, versteht sich. Er wolle die 1. Klasse bei der Bahn abschaffen, hieß es in der Nachrichten-App, wütende Leser-Kommentatoren wiesen ihn leidenschaftlich in die Schranken. Und auch mein Körper – der sich standesgemäß im überfüllten Großraumabteil der 2. Klasse befand – schüttete für einige Sekunden eine kleine Dosis des Streßhormons Cortisol aus, weil ich seinen Vorschlag, nun ja, abwegig und nervtötend fand.

Dabei wird dem armen Schade unrecht getan. Er will ja gar nicht die 1. Klasse abschaffen, sondern die 2.! Und da ich ohnehin Harndrang verspürte und in meinem Wagen alle Toiletten besetzt waren, wagte ich neugierigerweise den sozialen Aufstieg und stromerte durch das Großraumabteil der 1. Klasse hin zu deren Zugklosett. Und ich muß sagen, es war wirklich schön dort, viel schöner als bei mir und meinen Fahrtgenossen in der 2. Klasse.

Und die ist ja eigentlich ganz o.k., aber beim Anblick der schön breiten Ledersessel, den vielen Steckdosen für Laptops, den gepflegten und kultivierten Anzugträgern und den vielen freien Plätzen kam sie mir so ungemein schäbig vor. Auch der Zugbegleiter, der den 1.-Klasse-Fahrern eine fertig zubereitete warme Mahlzeit an den Tisch brachte, hat mich sehr beeindruckt. Das höfliche „Darf ich Ihnen sonst noch etwas bringen?“ hob sich sehr angenehm ab von dem brüsken  „Neu zugestiegene Fahrgäste die Fahrkarten bitte!“ Und die Qualität und die Sauberkeit des Klosetts – kein Vergleich!

Herr Schade, schauen Sie nicht so griesgrämig zu den Reichen hinüber!

Natürlich wünsche ich mir das auch. Ich würde es mir und allen meinen 2.-Klasse-Fahrtgenossen auch gönnen. Nur, was hätten wir dadurch gewonnen? Wenn das 2.-Klasse-Publikum jetzt auch noch die 1. Klasse verstopft? Oder wenn die Züge alle plötzlich doppelt so lang wären, weil die wenigen Sitzplätze in den 1.-Klasse-Waggons nicht mehr ausreichen? Oder wenn der Zugbegleiter, der früher das Essen gebracht hat, jetzt plötzlich meine Fahrkarte sehen möchte? Alles Humbug. Die 2. Klasse abzuschaffen, weil die 1. so schön ist, bringt uns nicht weiter.

Bliebe also tatsächlich die andere Variante, nämlich das Abschaffen der 1. Klasse. Mich persönlich würde es nicht stören, wenn ein reicher Mann plötzlich neben mir sitzen müßte. Aber ihn vielleicht, ich weiß ja jetzt, wie schön es in seiner 1. Klasse ist. Und dann denke ich mir, wenn er doch luxuriös reisen möchte und sich das leisten kann, dann soll er das meinetwegen machen, mein Pappbecher-Kaffee für sagenhafte 3,95 Euro in meinem Großraumabteil wird davon auch nicht (noch) schlechter.

Also, lieber Tilman Schade, genießen Sie die Bürgernähe in der 2. Klasse und schauen Sie nicht immer so griesgrämig hinüber zu den Reichen. Das sind ja auch nur Menschen, die den Luxus haben, den wir gerne hätten. Glückwunsch, kann man da nur sagen.

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