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Wuppertal: Fürsten unerwünscht

Wuppertal: Fürsten unerwünscht

Wuppertal: Fürsten unerwünscht

 

Wuppertal: Fürsten unerwünscht

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Eine Provinzposse aus Wuppertals Stadtteil Elberfeld berührte dieser Tage einmal mehr das komplexe Verhältnis der Deutschen zu ihrer Geschichte. Erfolgreich gelang es den vereinten demokratischen Kräften bereits den Ansatz einer möglichen monarchistischen Restauration im Keim zu ersticken. Eigentlich handelte es zwar gar nicht um einen solchen Versuch, die Legitimität unseres Staatswesens in Frage zu stellen. Aber, so mögen einige Politiker gedacht haben, man weiß ja nie, was einmal aus so etwas entstehen könnte.

Der Mäzen Hans-Joachim Camphausen hatte knapp 200.000 Euro an gesammelten Spendengeldern in Aussicht gestellt, um den fehlenden Figurenschmuck des historischen Elberfelder Rathauses wieder herstellen zu lassen.

Es handelt sich um vier Standbilder einst einflußreicher Fürsten, die mit der Wuppertaler Geschichte zu tun hatten: Kaiser Friedrich I. Barbarossa, Herzog Johann III. von Berg, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Kaiser Wilhelm II.

Vor allem an Wilhelm II. entzündeten sich alte Vorbehalte

Gerade der Regierungszeit des Letztgenannten hat Wuppertal viel zu verdanken. Nicht nur die berühmte 1901 eröffnete Schwebebahn entstand damals, die Stadt hatte insgesamt einen großen wirtschaftlichen Aufschwung zu verzeichnen, von dem noch viele historistische Hausfassaden Zeugnis ablegen.

Nachdem der Kaiser bereits die Ruhmeshalle im Stadtteil Barmen eröffnet hatte, weihte er auch das besagte Elberfelder Rathaus am 24. Oktober 1900 höchstpersönlich ein. Die Figuren, um die es nun Streit gab, sah er indes gar nicht. Diese waren damals noch nicht fertiggestellt und konnten erst im Folgejahr, nach langer Diskussion über die qualitätvollste Ausführung, von einer Frankfurter Firma aufgestellt werden.

Doch die Figuren gingen sämtlich im zweiten Weltkrieg verloren, so daß sich der engagierte Bürger Camphausen fast 70 Jahre nach Kriegsende für die Wiederherstellung der Rathausfassade einsetzte. Doch er hatte die ideologischen Hürden und deren Wächter unterschätzt. Vor allem an Wilhelm II. entzündeten sich alte Vorbehalte.

Die SPD machte den Anfang

Die in puncto Meinungsbildung im Straßenraum dominante SPD erhob als erste Einwände. Der Fraktionssprecher der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Elberfeld teilte mit: „Vor dem Hintergrund der 9,3 Millionen gefallenen Soldaten und 7,8 Millionen getöteten Zivilisten des Ersten Weltkrieges sehe ich besonders die Wiedererrichtung eines Standbildes von Wilhelm II. sehr kritisch.“

Schließlich sei der Kaiser ein Symbol der wilhelminischen Ära, an deren Ende die Katastrophe des Ersten Weltkrieges gestanden habe. Aber auch bei den anderen Fürstenskulpturen bedürfe es einer „kritischen Auseinandersetzung“. Schließlich sei „das monarchistische Gedankengut aus der Erbauungszeit des Rathauses heute überwunden“.

Neben der alten Partei, die einst die Kriegskredite selbst politisch mitgestützt hatte, ließ auch ein Vertreter der „Grünen“ mitteilten, „er halte Wilhelm II. nicht für eine Person, die man ehren sollte“.

„Rückwärtsgewandtheit“

Heftige Kritik gab es wohl auch aus Reihen der FDP. Und es kam zu einer umfangreichen Bürgerdiskussion, zum Beispiel in Leserbriefspalten, in der es um das Für und Wider der deutschen Schuld am 1. Weltkrieg, um die moralische Rechtfertigung der „Ehrung“ Wilhelms II., um „Rückwärtsgewandtheit“ und die Frage des nationalen Selbstverständnisses ging. 70 Jahre sei Wuppertal „prima“ ohne Wilhelm II. „ausgekommen“, argumentierten die Gegner, und das solle so bleiben.

Schließlich wurde es Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) unheimlich aufgrund der Diskussion, und nach einem Gespräch mit dem Spendensammler kündigte er an, „daß keine weiteren historischen Figuren an der Fassade des Elberfelder Verwaltungshauses angebracht werden“. Zudem verkündete er „daß die Verwaltung in diesem Sommer das Thema Schenkungen an die Stadt in einer Satzung neu regeln werde“, um sicherheitshalber zukünftige Debatten dieser Art erst gar nicht mehr aufschäumen zu lassen.

Sehr zufrieden äußerte sich Redakteur Andreas Boller von der Westdeutschen Zeitung, die die Debatte erst durch ihre Artikel in die Öffentlichkeit getragen und somit angeheizt hatte: „Undenkbar, daß es Wilhelm II. ohne Legitimation des Rates und damit über die Köpfe der Wuppertaler hinweg wieder ganz nach oben geschafft hätte.“ Hier gehe es schließlich auch um Weltanschauungen, so daß die Stadtspitze und Parteien zum Glück rechtzeitig noch die Bremse getreten hätten. „Die richtige Entscheidung, denn der Streit um den Kaiser hätte Wuppertal zur Lachnummer machen können.“

„Keine ungeteilte Akzeptanz“

Immerhin wurde dadurch auch darauf verzichtet, am Rathaus eine volkspädagogisch verfaßte Informationstafel anzubringen, um auch dem dümmsten Passanten deutlich zum machen, welch problematische Gestalten dort die historische Fassade zieren.

Eine Begründung gegen die Wiederherstellung des historischen Fassadenschmucks war übrigens, daß dieser „keine ungeteilte Akzeptanz“ gefunden hätte.

Nun ist eine solch ungeteilte Akzeptanz vermutlich nur bei wenigen Plastiken und Kunstwerken im öffentlichen Raum vorhanden. Das Karl-Marx-Monument in Chemnitz, die aktuelle Marx-Nostalgie in Trier oder die Rosa-Luxemburg-Stele in Berlin finden sicherlich auch nicht ungeteilte Akzeptanz. Indes geht es darum auch weniger, sondern eben um Machtverhältnisse. Wer diktiert den öffentlichen Raum, seine Straßen- und Schul-Namen, seine hervorgehobenen Bezugspunkte, seine Plastiken und Gedenkstelen? Und wer hält dazu vorsichtig oder resigniert seinen Mund?

Keine Bedrohung für das Grundgesetz

Zahlreiche Thälmannstraßen, Friedrich-Ebert-Schulen oder Willy-Brandt-Plätze liegen über die Republik verstreut, und auch die gesamte bundesdeutsche Denkmalskultur beziehungsweise Kunst im öffentlichen Raum ist sicherlich eine kritische Sichtung wert, wenn sich einmal Machtverhältnisse verschieben sollten. Bislang aber sind die Verhältnisse einfach klar, auch wenn Konservative gelegentlich ein paar gnädige Brosamen zugeworfen bekommen. Mal ist man strenger, mal kulanter, dennoch scheint der kulturelle Überbau auch in diesem Bereich deutlich links dominiert.

Man kann selbstverständlich über die historische Rolle Wilhelms II. oder Kaiser Barbarossas kritisch streiten, eine Bedrohung für das Grundgesetz entstünde aus der Wiederherstellung der Figuren aber wohl kaum, zumal es sich nur um Fassadenschmuck, kein explizites Denkmal handelte. Doch geht es eben nicht um konkrete demokratische Gefahrenabwehr, sondern die Absicherung einer Oberhoheit im ideologischen Überbau der Republik, die – zum Beispiel durch Umbenennung von Hindenburg-Straßen – noch auszuweiten versucht wird. Der Überbau prägt stets die Hirne und schlägt sich irgendwann in politischem Nutzen nieder.

Immerhin kann man heute noch froh sein, daß dieser evolutionäre Weg herrscht und nicht ein aus der Geschichte bereits bekannter revolutionärer, bilderstürmerischer Furor wütet, der flächendeckend alles abzuräumen versucht, was in eventuell „verherrlichender“ Weise an die feudale, kriegerische Vergangenheit erinnert beziehungsweise der egalitären Ideologie im Wege steht.

Zwar gibt es immer wieder Farbanschläge auf alte Kriegerdenkmale, ansonsten aber sind die „roten Taliban“ derzeit glücklicherweise nicht aktiv. Und die vier Fürsten von Elberfeld müssen eben noch ein wenig schlummern, bis die Zeit einmal reif für sie sein wird.

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