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Vom Funktionär – Zweiter Teil

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Diesen Überbau, wir sehen ihn nun im Laufe der Zeit anwachsen und immer mehr die konkreten Forderungen bestimmen. Das  Gothaer Programm von 1875 forderte bereits neben den politischen Rechten eine Vielzahl von Arbeitsrechten. Und das Erfurter Programm von 1891 sah schon eine recht genaue Wirtschaftspolitik vor. Diese Entwicklung, von konkreten politischen Rechten hin zu Eingriffen in die Wirtschaft ist nicht auf die angewachsene Stärke der Sozialdemokraten oder dergleichen zurückzuführen, sondern auf etwas anderes.

Wer sich 1869 traf, das waren durchaus Menschen, die konnte man der Arbeiterschaft zuzählen. August Bebel beispielsweise, er war zu dieser Zeit eigentlich noch ein Handwerker, mußte als solcher sein Auskommen suchen. 1875 sah das schon anders aus. Da war er kein Handwerker mehr, sondern Redner, Organisator, Parteimensch. Noch anders 1891, da prägte beispielsweise mit Karl Kautsky jemand wesentlich das Parteiprogramm, der in seinem Leben noch an keiner Werkbank gestanden hatte.

Über die zwangsläufige Entfremdung des Arbeiters von den Produkten seiner Arbeit wurde im Sozialismus ja viel gesprochen. Aber von der zwangsläufigen Entfremdung des Sozialismus von der Arbeiterschaft hört man weniger. Denn was ist hier geschehen? Der Bebel des Jahres 1869, der mußte die Welt noch im Wesentlichen als Handwerker betrachten, denn er hatte sein Auskommen als Handwerker. Der Bebel des Jahres 1875 dagegen, der hatte sein Auskommen durch die Partei. Das aber bedeutet eine gewaltige Veränderung.

Entfremdung von der Lebenswirklichkeit

Denn der Bebel von 1868, was ihm seine Ideologie mitteilte, es mußte sich notwendigerweise an dem beweisen, wodurch er sein Auskommen hatte, an seiner Lebenswirklichkeit. Daran mußte sich alles messen. Nicht so bei dem Bebel von 1875. Dessen Lebenswirklichkeit war jetzt die Partei. Seine Ideologie, sie konnte sich jetzt ungehemmt von den realen Verhältnissen entfalten. Noch mehr bei Kautsky. In seinem Kopf, da wußte er über alles ganz genau Bescheid, über den Klassenkampf, die Akkumulation der Arbeit und dergleichen mehr.

Nur vom wirklichen Leben, davon wußte Kautsky nichts. Die Verhältnisse dort draußen, sie berührten ihn nicht. Denn sein Auskommen, er hatte es ja durch die Partei. In ihrem Auftrag arbeitete er seine Ideologie ab. Klassenkampf, Akkumulation der Arbeit – ob es falsch war oder richtig, er brauchte es nicht zu wissen. Denn was sich aus seinem Hirn in die Wirklichkeit stahl, es mußte sich vor ihm nicht an der Lebenswirklichkeit beweisen. So haben wir einen Menschen, der losgelöst von der Arbeiterschaft, von der Gesellschaft überhaupt, sein Dasein fristet.

Das aber ist der Funktionär. Der Funktionär, man findet ihn überall dort, wo eine soziale Bewegung in die Erstarrung gekommen ist. Die Arbeiterschaft beispielsweise, sie entstand ja nicht dadurch, weil eine gewisse Ideologie in die Köpfe der Menschen gehämmert wurde. Sondern sie entstand als Reaktion auf einen sozialen Mißstand. Indem sich diese Arbeiterschaft aber organisierte und dazu einzelne Mitglieder aus ihrer Lebenswirklichkeit heraushob, sorgte sie dafür, daß diese Mitglieder den sozialen Mißstand überhaupt nicht mehr erlebten.

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