MÜNCHEN. Im Streit um die nicht zugelassenen türkischen Medien zum „NSU“-Prozeß hat sich nun auch die Europäische Union eingeschaltet. Die Vergabepraxis des Münchner Oberlandesgerichtes sei „suboptimal“ verlaufen, sagte EU-Kommissarin Viviane Reding gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Es sei „das Normalste der Welt“, wenn ausländische Medien dem Prozeß bewohnen wollen. „Erst recht aus Ländern mit Betroffenen.“
Hintergrund sind die fünfzig, für Korrespondenten reservierten Presseplätze im Gerichtssaal. Kein einziger türkischer Pressevertreter hatte sich rechtzeitig für die nach Reihe der Anmeldung vergebenen Plätze beworben. „Türkische Presse nicht erwünscht“, behauptete daraufhin die türkische Tageszeitung Hürriyet mit einer deutschen Schlagzeile. Eine Simultanübertragung des Prozesses in einen weiteren Saal wurde aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
Menschenwürde der Angeklagen ist „Populismus“
„Eine Videoübertragung in einen anderen Saal hätte ein bisschen was von Schauprozeß und Public Viewing und wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde der Angeklagten“, verteidigte der Vorsitzende des Bundestagsausschusses, Siegried Kauder (CDU), die Maßnahme des Gerichtes gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger. „Das geht nicht und einen größeren Saal gibt es auch nicht.“ Das Gericht sei bei der Platzvergabe überhaupt nicht nach der Nationalität vorgegangen.
Der Deutsche Journalistenverband wies Kauders Verweis auf die Menschenwürde der Angeklagten zurück: „Kein Platz für Populismus.“ Es zeuge von „wenig Sensibilität“, wenn Kauder „die berechtigte Forderung in- und ausländischer Journalisten nach Berichterstattungsmöglichkeiten über den NSU-Prozeß als Einladung zum Public Viewing verunglimpft“ . Das Gericht sei „gut beraten“, wenn es „wenigstens türkischen Medien die Möglichkeit zur Berichterstattung bieten würde“, sagte der Verband.
Spekulation über Verschwörungstheorien
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hat über ein Komplott gegen Türken spekuliert. „Ich frage mich, was das Gericht eigentlich will“, heißt es in einer Mitteilung. „Will es die türkische Öffentlichkeit aus dem Prozeß ausschließen? Ich habe mit türkischen Medienvertretern gesprochen. Sie haben mir zugesichert, daß sie sich rechtzeitig, sogar am selben Tag der Akkreditierung, beim Gericht gemeldet haben.“
Kolat forderte das Gericht dazu auf, die Unterlagen über die Antragseingänge öffentlich zu machen. Auch er habe sich vergeblich um eine Akkreditierung bemüht. Den Vorschlag des Gerichtes, sich am Tag der Verhandlung vor Ort anzustellen wies er empört von sich. „Also ich soll von Berlin nach München fliegen, mich anstellen, was ich tun könnte. Dann kann es aber passieren, daß ich nicht reinkomme. Das ist unglaublich.“ Kolat forderte die Politik auf, daß „skandalöse Verhalten“ des Gerichtes nicht länger zu tolerieren. (FA)