MAARAT AN-NUMAN. Die Suche führt ins sanfte Hügelland. Braun gebranntes Gras und lichte Pinienwälder wechseln einander ab. Über die Sawija-Berge, westlich der Stadt Maarat an-Numan im nördlichen Syrien, herrschen schon seit Monaten die Aufständischen. Ihr Kampf auf dem Areal von 30 Kilometern Länge und 10 Kilometern Breite ist eng mit dem Schicksal eines Mannes verknüpft: Riad Musa al-Asaad. Der 51jährige Luftwaffen-Ingenieur vom Militärflughafen Abu ad-Duhur gilt als Überläufer der ersten Stunde. Das war im August 2011 – damals, als die Gründung der „Freien Syrischen Armee“ verkündet wurde, deren Oberbefehlshaber Asaad seitdem angeblich ist.
Rebellenchef zeitweise in Syrien
„Aber anders als der Präsident kann er durchs Land reisen“, behauptet Mohamed al-Asaad, Bruder des Freischärlers und andernorts als Geographielehrer tätig. Im persönlichen Gespräch sagt der ältere Mann, daß der Anführer der „Freien Syrischen Armee“ zuletzt sogar eine geheime Mission nach Damaskus unternommen habe, und sich eben nicht ausschließlich in der Türkei versteckt halte. Dies gäbe ihm Rückhalt bei der Bevölkerung – im Gegensatz zu den Exilanten im so genannten Übergangsrat von Istanbul. Beweise dafür gibt es kaum.
Ankunft in Bditah. Die schmale Landstraße in das Heimatdorf des „Staatsfeinds Nummer Eins“ ist gerade mal durch einen einzigen notdürftig besetzten Kontrollpunkt geschützt. Die Kämpfer agieren aus ihren Häusern und öffentlichen Einrichtungen. Kämpfen im Gelände. Pause vor dem Fernseher. Die Einwohner des Hundert-Seelen-Nests zeigen das Wohnhaus von Riad al-Asaad.
Durchs Gestrüpp führt ein Fußmarsch zu einem einfachen Steinbau. „Schau Dir das an“, so die Nachbarn. Die Armee habe dem „General“, der tatsächlich allenfalls den Rang eines Oberst eingenommen haben dürfte, nur ein schlichtes Monatsgehalt von 25.000 Pfund (umgerechnet 200 Euro) zugebilligt.
„Riad interessiert sich nicht für Geld, sondern nur für die Freiheit unseres Landes“, so die wohlwollenden Nachbarn. Und dafür habe er teuer zu bezahlen gehabt: Als die Armee Ende des letzten Jahres durch Bditah zog, soll sie auch sein Haus systematisch verwüstet haben. Trümmerteile der Möbel und die zerbrochenen Fensterscheiben sollen dafür als Beleg dienen.
Aufständische werfen der Armee Verbrechen vor
Familienvater Abu Ghad Jessuhr, ein Bauer aus der Nähe, ist aufgebracht. „Andere Leute hat es noch viel schlimmer getroffen“, meint er, und zeigt ein ausgebranntes Domizil.
Doch Hinweise auf die Täter gibt es nicht. Wer führt hier schon eine Kamera mit sich? Aufklärung kann es allenfalls über „das Massaker“ geben, das hier stattgefunden haben soll. Mustafa Asaad, weitläufig verwandt mit seinem großen Vorbild, fährt auf seinem Motorrad hinunter ins Tal. Ein provisorisches Gräberfeld ist zwischen wildem Gebüsch angelegt worden. Jeden Toten benennt er beim Namen – 32 wären mit gefesselten Armen hingerichtet worden, und nur die restlichen acht eines natürlichen Todes gestorben, behauptet er. „Alles Zivilisten“, auf diese Formel hat man sich hier geeinigt. Doch wo verläuft die Grenze angesichts der Tatsache, daß sich die Bürger bewaffnet haben – und ihre Kalaschnikows ab und an auch zum Einsatz bringen?
Hubschrauber verzichtet auf Angriff
Mustafas Gruppe hat ihr Hauptquartier in einer geschlossenen Schule aufgeschlagen – dem einzigen Massivbau der Umgebung. 20 junge Männer installieren ein uraltes Flakgeschütz auf einem Geländewagen. Es funktioniert nicht. Als plötzlich das Geräusch eines Hubschraubers zu vernehmen ist, feuern sie mit ihren Maschinengewehren in den Himmel. Ein aussichtsloses Unterfangen. Der Pilot schießt zurück – und verfehlt mit seiner Rakete das Ziel um einige Hundert Meter. Anschließend fliegt er davon. Die Strategie der Armee bleibt eine große Unbekannte. Ebenso wie der Anführer ihrer Gegner.