BERLIN. Der Präsident des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, hat die Energiepolitik der Bundesregierung scharf kritisiert. Durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz hätten die Verbraucher im Jahr 2011 zwölf Milliarden Euro Zusatzkosten für grünen Strom gezahlt. „Das ist viel zu viel. Andererseits wurden für die Kernfusionsforschung nur 200 Millionen ausgegeben“, sagte der Ökonom. Man müsse sich daher fragen, wie innovativ die deutsche Energiepolitik eigentlich sei.
Sinn nutzte die Vorstellung der Neuauflage seines Buches „Das grüne Paradoxon“, um die strikte Nachfrageorientierung der Umweltpolitik zu monieren: Das „grüne Säbelrasseln“ habe seit 1980 kontraproduktive Wirkungen erzielt, indem beispielweise Erdölfelder schneller ausgeplündert wurden, um der Energiewende zuvorzukommen. Das sei nur ein Beispiel für „grüne Paradoxa“.
„Wir sparen Kohlenstoff, doch was ist mit den anderen?“
Auch beim Klimaschutz erkannte der 63jährige Professor, der an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Nationalökonomie und Finanzwissenschaft lehrt, Widersprüche im deutschen Regierungshandeln. So hätten sich Deutschland und die anderen europäischen Länder seit 1990 massiv angestrengt, den CO2-Ausstoß zu vermeiden. Aber die Kurve des Weltausstoßes von CO2 mache noch nicht einmal einen Knick, sondern steige progressiv an. „Wir sparen Kohlenstoff, doch was ist mit den anderen?“ fragte Sinn.
Da der Finanzwissenschaftler keine Möglichkeit sieht, den Bedarf an Strom allein durch Solar- oder Windenergie zu ersetzen, möchte er vorerst an der Atomkraft festhalten: „Ich bin verfahrens- und nicht ergebnisorientiert. Das heißt, es ist mir dann völlig egal, ob es AKWs gibt oder nicht“, sagte Sinn. Wichtig sei ihm vor allem, mit dem richtigen Verfahren festzustellen, ob sich eine Technologie lohnt oder nicht.
Schon in seiner Promotionsschrift über „Ökonomische Entscheidungen bei Ungewißheit“ (1980) hatte sich Sinn mit der Absicherung technologischer Risiken von Atomkraft beschäftigt. Nach seiner Meinung könnte eine Haftpflichtversicherung für AKWs externe Schäden und Risiken internalisieren. Wo kein Markt sei, ließe sich über „Katastrophen-Bonds“ ein Markt schaffen, so Sinn. (cs/fä)