16. bis 22.04.2011, Bengasi
In einer Stunde geht es los – Inschallah! Gemeinsam mit zwei Abenteurern aus Argentinien und Frankreich warte ich auf einem Fischkutter voll mit Waffen und Nahrungsmitteln. Etwa dreißig Kämpfer aus Bengasi und Al Bayda drängeln sich auf dem Schiff. Erst fehlt angeblich die Nato-Genehmigung, dann ist das Wetter schlecht – schließlich Probleme mit der Navigationstechnik. Immer wieder bricht Streit mit Besuchern im Hafen aus. Als ein Betrunkener Allah beleidigt, wird wild in die Luft geschossen. Schließlich heißt es, der Revolutionsrat von Misrata wolle keine Kämpfer aus Bengasi mehr haben – es gäbe genügend Freiwillige, aber nur wenige Waffen. Die Fremden würden die Kampfgebiete nicht kennen und mehr Probleme als Nutzen bringen.
Ich wechsle auf ein libysch-ägyptisches Ärzteschiff um – ebenfalls ein Fischerboot. Auch hier revolutionäre Verhältnisse: Beim Dieseltanken wird wild geraucht. Die Mülltrennung: Plastik steuerbord, Restmüll backbord. Kistenweise wird Munition in den Motorraum verstaut. Aber auch Kartoffeln, Zwiebeln und kistenweise Medikamente. Beim Losschippern – Motorprobleme. Weiter Festsitzen im Hafen.
22. bis 24.04.2011, Mittelmeer
Endlich – es geht los. Aber nach einigen Stunden auf hoher See fällt der Motor wegen Überhitzung aus. Wir treiben stundenlang umher. Das Satellitentelefon ist nicht geladen, am Radio antwortet niemand. Die Wellen stoßen das Fischerboot beinahe um. Die fünfzehn Menschen an Bord werden von einer Seite auf die andere geschleudert. Hören tut man nur das Scheppern der Töpfe. Irgendwann stoppt der Mechaniker das Problem. Der dichte Rauch verschwindet.
Zehn Seemeilen vor Misrata – ein französisches Kriegsschiff. Die Brücke fragt nach unserem Schiffnamen, den Personen an Bord und nach unserer Route. Kontrollen der Boote aus Bengasi finden schon seit zwei Wochen nicht mehr statt. Damals hatte ein türkisches Schiff Waffenlieferungen noch verweigert. „Gott schütze Euch“, heißt es nun.
Ankunft in Misrata – der Hafen wirkt verwaist. Nachdem wir angelegt haben, erscheint aus dem Nichts ein Konvoi aus fünf Lkw und Geländewagen. Zwanzig Männer laden das Boot aus. Es herrscht eine bedrückte und zugleich ausgelassene Stimmung. Dichter Dreck liegt in der Luft – eine Dunstglocke aus Wüstensand über Misrata. In der Ferne sind die Einschläge der Grad-Raketen zu hören. Das Stadtzentrum ist zwölf Kilometer vom Hafen entfernt. Aber selbst hier: Spuren der Raketeneinschläge. Warum es Gaddafi nicht gelingt, von Süden über das Ödland in den Hafen einzudringen, bleibt vorerst ein Rätsel.
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