Blickt man zurück in die Geschichte, so bleiben einem zwei Gewißheiten: Die eine ist, daß der Mensch, soweit er sich zurück erinnert, schon immer Krieg geführt hat. Die andere ist, daß er im Krieg weitgehend jede Möglichkeit, seinem Feind zu schaden, auch genutzt hat. Im Laufe der Zeit entwickelte und verfeinerte die Menschheit so eine Reihe von Waffen, die ihrerseits den Krieg entwickelten und verfeinerten.
Eine Zäsur bedeutete dabei die Industrielle Revolution. So wie sie insgesamt die gesellschaftlichen Verhältnisse abstrahierte, so abstrahierte sie auch den Krieg. Steinschleuder und „griechisches Feuer“, Armbrust und Schießpulver waren zwar mit gleicher Kraft und Tücke ersonnen, jedoch waren sie schlußendlich nicht viel mehr als der verlängerte Arm eines Kämpfers. Sie bildeten mit diesem eine Einheit.
Diese ursprüngliche Einheit von Kampf und Kämpfenden wurde aufgelöst. Der Soldat wurde zum Arbeiter an einer Maschine, die für ihn kämpfte. Dadurch wurde aber auch der Arbeiter in der Fabrik, der die Maschine baute, zum Soldaten. Und in eben dem Maße, wie das Vernichtungspotential anstieg, weitete sich auch das Angriffsziel aus. Was einmal eine Schlägerei um eine Wasserstelle war, wurde zum totalen Krieg.
Die Illusion von ewigem Frieden
Der totale Krieg führt den Kriegführenden aber in eine ausweglose Situation. Denn er entfesselt Kräfte, die keiner mehr kontrollieren kann und die sich gegen alle und jeden richten. Der zum totalen Feind Gewordene wird einem damit zugleich zum Menschen, der das gleiche Bedürfnis nach Leben hat, wie man selbst. Aus diesem Wechselverhältnis, da jeder seinen Nächsten liebt, weil ihm die Klinge an der Kehle drückt, entstand eine gewisse Ruhe.
Sowohl räumlich als auch zeitlich lebte ein bedeutender Teil der Menschheit in einer befriedeten Gesellschaft. Man wurde geboren, ging zur Arbeit, setzte Kinder in die Welt und bereitete sich auf seinen Lebensabend vor. Und die ganze Zeit war Krieg nur ein abstraktes Wort, keine konkrete Lebenswirklichkeit. Selbst viele Soldaten gingen wie andere auch zur Arbeit, setzten sich in Büros und trugen ihr Tarnfleck wie früher Beamte ihre Uniform.
Der konkrete verdrängt den gedachten Krieg
Doch diese Zeit geht ihrem Ende entgegen. Der Krieg kehrt zurück, mit aller Macht kehrt er zurück. Nicht sein abstrakter Schatten, in dem sensible Humanisten Knöpfe auf Schalttafeln bedienen, um Millionen von Menschenleben auszulöschen. Sondern der konkrete Krieg, in dem wieder Menschen kämpfen, verletzt werden und in ihrem Blut schreiend auf der Straße liegen. Was ist grausamer? Das oder ein nuklearer Gefechtskopf, über einer Großstadt detonierend?
Die Gewalt in dem nur noch gedachten, totalen Krieg übersteigt die des konkreten Krieges um ein Vielfaches. Und wenn uns dieser grausamer erscheint, so liegt das nur an uns, die wir das Kämpfen nicht mehr gewöhnt sind. In einem Büro sitzen, Knöpfe drücken, dazu gehört nicht viel Überwindung. Aber ein Kampf Straße um Straße, Häuserblock um Häuserblock, seinen Feind sterben zu sehen und wissen, man hätte es selbst sein können, das ist etwas anderes.
Ein solcher Krieg erfordert nicht nur Arbeiter, nicht nur Ingenieure, sondern vor allem fordert er die Rückkehr des Kriegers. Soldaten, die das Töten als ihr Handwerk verstehen, die ihren eigenen Tod stets vor Augen haben und wissen, wofür sie sterben: Können wir aus uns heraus solche Männer nicht mehr aufbieten, können wir ihnen in unserer Gesellschaft nichts anbieten, wofür sich ihr Opfer lohnt, dann müssen wir eben untergehen.