Nach einer annähernd dreistündigen Autofahrt endlich angekommen, gelangte ich, mißtrauisch beäugt von den Kollegen der ARD und der Frankfurter Rundschau, schließlich auf das Messegelände. Dort war ich sofort eingekeilt in den sich träge durch die Hallen schiebenden Besucherstrom. Viele Menschen, mit denen ich im Vorfeld sprach, bezeichneten die Leipziger Buchmesse als „viel familiärer“ als ihr Frankfurter Pendant.
Nun wurde mir auch klar, wie dieser Eindruck entstehen konnte: Auf dem Leipziger Messegelände ist alles ungleich enger, insbesondere die Durchgänge zwischen den einzelnen Hallen. Auch sind die Hallen selbst nur einstöckig, weswegen die verschiedenen Stände viel kleiner ausfallen. Nicht eben ein Pluspunkt, zumindest aus meiner Sicht. In Leipzig gelingt es nicht so einfach wie in Frankfurt, den „Cosplayern“ mit ihren ulkigen Kostümierungen und sperrigen Pappwaffen aus dem Weg zu gehen. Stattdessen ist man mehr oder minder gezwungen, sich jenseits eines gewissen cordon sanitaire von ihnen durch die Hallen zu drängen, um von einem angestrebten Stand zum anderen zu kommen.
Aufgedrängter Faltblatt-Anarchismus
Die Stände selbst variierten erheblich in Größe und Qualität. Während die evangelikale Nachrichtenagentur idea über einen verhältnismäßig großen Stand und ein vielfältiges Vortragsangebot verfügte, waren die Abteilungen von Duncker & Humblot wie auch der Deutschen Sprachwelt deutlich kleiner, aber auch konstant gut besucht. An letzterem Stand war es den ganzen Messesamstag über kaum möglich, mit Chefredakteur Thomas Paulwitz zu sprechen, da er ständig von interessierten Messebesuchern umlagert war.
Immerhin gelang es ihm so, die kreativen „Anti-Denglisch-Aufkleber“ in hehren Massen unter’s Volk zu bringen. Dazu bedurfte es dann auch keines aufdringlichen Verteilverhaltens, wie es beispielsweise Laika Verlag oder Verlag Graswurzelrevolution an den Tag legten.
„Rilke-Preis“ unter Fernbeschuß
Letztlich war ich allerdings vor allem aufgrund der Verleihung des „Rilke-Preises“ nach Leipzig gefahren. Diese fand an einem Stand statt, der amüsanterweise mitten zwischen Jungle World und Verbrecher Verlag gelegen war. Dennoch ging das knapp zwanzigminütige Programm problemlos vonstatten, obwohl es im Vorfeld in der Leipziger Volkszeitung einen „Mobilisierungsartikel“ gegen die Preisverleihung gegeben hatte.
Daß sich nun ein paar Tage später der ausrichtende Leipziger Literaturverlag eilfertig von der gesamten Veranstaltung distanziert, nachdem offensichtlich „engagierte Kreise“ ihre gewohnte „Aufklärungsarbeit“ geleistet haben, kommt in keiner Weise unerwartet. Dennoch ist es – wie immer in solchen Fällen – ernüchternd anzusehen, wie schnell eigentlich unabhängige Unternehmen vor der drohenden Faschismuskeule in die Knie gehen.
Linke Angst vor klugen Rechten
Daß insbesondere der Vorwurf an die Blaue Narzisse, Rainer Maria Rilke als Vehikel zum Transport verfemten Gedankenguts zu mißbrauchen, eine Frechheit ist, ist offensichtlich. Den dazugehörigen Hintersinn (ohne dabei zu wissen, wie schnell es brandaktuell werden sollte) diskutierte ich am späteren Nachmittag des Messesamstags mit einem „alten Bekannten“ von einschlägigen Veranstaltungen der konservativ-publizistischen „Szene“, der mir zufällig im antiquarischen Abschnitt der Buchmesse über den Weg lief:
Letztlich führt das stete Damoklesschwert der „sozialen Tötung“ gegenüber allen Rechten dazu, daß dieses politische Lager zu einem großen Teil von Menschen besetzt wird, die nicht mehr allzuviel zu verlieren haben – zumeist solche, die aus prekären Umständen stammen. So können dann alle „Nicht-Rechten“ höhnisch auf ihren politischen Gegner deuten und sich darüber belustigen, daß diese allesamt Idioten seien; die scheinbare „Geistlosigkeit von rechts“ wirkt also als fundamentales Element zur Selbstdefinition der „guten Demokraten“ im Sinne von Spinozas „determinatio est negatio“.
Wenn nun aber Medien wie Blaue Narzisse, Junge Freiheit und all die anderen demonstrieren, daß es eben doch kluge Köpfe jenseits des politischen Konsensfetischismus gibt, ist es nachgerade zwangsläufig, daß die Gegenseite kreischend und flügelschlagend umherrennt wie eine Schar aufgescheuchter Gänse. Je stürmischer uns der Wind entgegenweht, desto wirkungsvoller scheint den „Warnern und Mahnern“ also der aufkeimende Einfluß unsererseits auf den Diskurs.
Dann doch lieber Frankfurt
Was also bleibt von der Leipziger Buchmesse? Abgesehen von einem angenehmen Zusammentreffen mit interessanten Publizisten, liebgewonnenen BN-Kollegen und aufstrebenden jungen Kunstschaffenden vor allem den Eindruck, in Frankfurt doch besser aufgehoben zu sein.
Nicht allein aus reiner Raumangst heraus, sondern vor allem auch aufgrund des Gefühls, dort mit dem Messestand der Jungen Freiheit stets einen Stützpunkt zu haben – womit ich auch eine herzliche Einladung aussprechen möchte, eben diesen zur kommenden Frankfurter Buchmesse vom 12. bis 16. Oktober zu besuchen. Gespräche mit JF-Redakteuren und Vorträge jenseits der üblichen pseudointellektuellen Selbstbeweihräucherung à la Zeit inklusive.