Der US-Politikwissenschaftler Andrew J. Bacevich, ehemals Oberst der US-Army und Vietnamkriegsveteran, gehört mit zu den schärfsten und rührigsten Kritikern des außenpolitischen Kurses der USA von einer konservativ-pragmatischen Warte aus. Einer seiner Hauptkritikpunkte – zum Beispiel vorgetragen in seinen Büchern „The Limits of Power. The End of American Exceptionalism“ (2009) oder „American Empire. The Realities and Consequences of U.S. Diplomacy“ (2002) – betrifft die zunehmende Militarisierung der US-Außenpolitik, mit der die USA ihren Zugriff auf die Ressourcen dieser Welt sicherzustellen glauben.
Der hier zum Ausdruck kommende Ressourcenhunger hat aufgrund der amerikanischen „Verschwendungssucht“, die Bacevich insbesondere in seinem Buch „Die Grenzen der Macht“ anprangert, zum Beispiel im Mittleren Osten zu einer unheilvollen, steigenden US-Truppenpräsenz geführt.
Gipfelpunkt Irakkrieg
Die Kosten, die das weltweite Engagement mit sich brächten, beliefen sich allein im Jahr 2009 auf rund 750 Milliarden US-Dollar. Bacevichs Forderung, die Amerikaner sollten ihre „Verschwendungssucht“ drosseln, um zum Beispiel die Abhängigkeit vom Erdöl zu lockern oder den Konsum in China hergestellter Produkte einschränken, klingen wohlfeil in einer Zeit, in der die USA vor einem Staatsbankrott stehen.
Viel tiefgreifender ist die Kritik Bacevichs an der inhaltlichen Definition der nationalen Sicherheitsdoktrin der USA, die – im Zusammenspiel mit ihrer ideologischen Aufladung durch den amerikanischen Auserwähltheitsglauben – dazu geführt habe, außenpolitische Ziele mit oder durch Androhung des Einsatzes von militärischen Mitteln durchzusetzen. George W. Bush habe vor diesem Hintergrund, so stellt Bacevich fest, keinen „revolutionären Bruch“ in der Außenpolitik herbeigeführt, sondern deren Prinzipien deutlich zur Kenntlichkeit gebracht; ihre „Mängel und ihre völlige Absurdität“ seien in „beispielloser Weise entlarvt“ worden. Was hier als „Absurdität“ abgekanzelt wird, gehört zur rhetorischen conditio sine qua non in jeder außenpolitischen Grundsatzrede eines US-Präsidenten.
Die Mission der Vereinigten Staaten
Die erste Überzeugung laute, Geschichte habe ein Ziel, nach dem die gesamte Menschheit trachte, nämlich „Freiheit“. Die USA, so die zweite Überzeugung, verkörperten „seit jeher die Freiheit“ bzw. seien ein „Musterbeispiel“ und „Verfechter“ der Freiheit. Hiervon leitet sich die dritte Überzeugung ab: „Die Vorsehung“ habe Amerika den Auftrag erteilt, dafür „zu sorgen“, „daß die Freiheit letztlich triumphiert“. Das sei, so zum Beispiel George W. Bush, „die Mission, die unsere Nation schuf“.
Entsprechend lautet die vierte Überzeugung: Die Freiheit müsse überall siegen, damit der American way of life erhalten bleibe. O-Ton Bush: „Das Überleben der Freiheit in unserem Land hängt zunehmend vom Erfolg der Freiheit in anderen Ländern ab.“ Obama hat an dieser Positionierung keinerlei Abstriche gemacht, als er erklärte: „Es ist die Mission der Vereinigten Staaten für globale Führung zu sorgen, gründend auf der Erkenntnis, daß es nur eine gemeinsame Sicherheit und eine menschliche Gemeinschaft gibt.“
Die Herrschaft einer Oligarchie
Bacevich verdeutlicht, daß sich diese Art von „Ermächtigungsgesetz“, das auf einen US-Paninterventionismus in Namen der Freiheit hinausläuft, als „Dauerkulisse der Politik“ erst nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert habe. Diese Ideologie bringe keine „empirisch beweisbare Wahrheiten zum Ausdruck“, sondern diene den Interessen derjenigen, die in erster Linie dafür verantwortlich seien, „daß die amerikanische Politik immer stümperhafter“ werde.
In Fragen der nationalen Sicherheit sei die Politikgestaltung der USA zur „Sache einer Oligarchie“ [von Republikanern und Demokraten] oder „Machtelite“ geworden; Entscheidungen würden nicht offen, sondern in geschlossenem Kreis getroffen.
Konzepte, die ins Chaos führen
Bacevich dekretiert, es sei „Wahnsinn“, „diese Elite weiter gewähren zu lassen“. Diese Leute ersönnen „politische Konzepte“, die „zum Krieg führen oder die Kriegsgefahr erhöhen und Chaos herbeiführen“, und dies unter dem Vorwand, „die Sache der Freiheit zu fördern“. Was Bacevich hier fordert, ist – will man es pointiert ausdrücken – eine Art „glasnost“ und „perestroika“ für die Vereinigten Staaten, die vor dem Hintergrund des Abgrundes, an den die „Machteliten“ die Weltmacht USA geführt haben, ein hohes Maß an Überzeugungskraft für sich reklamieren kann.
Diese Überzeugungskraft wird noch dadurch gesteigert, daß Bacevichs Sohn 2007 als 27jähriger Leutnant der US-Army im Irak durch eine Bombe getötet wurde – infolge einer Politik, die Bacevich nicht müde wird zu geißeln und für die kein Verantwortlicher der „Machtelite“ zur Rechenschaft gezogen wird.