ANKARA. Jede siebte Frau in der Türkei ist bei ihrer Hochzeit minderjährig. Das geht aus einer wissenschaftlichen Untersuchung der Hacettepe-Universität für die Gleichstellungskommission des Parlaments in Ankara hervor. Demnach sind 5,5 Millionen Bräute noch keine 18 Jahre alt. Obwohl das Mindestalter für die Ehe in der Türkei bei 16 Jahren liegt, würden vor allem in ländlichen Regionen zahlreiche Familien früher verheiratet.
Der Studie zufolge wählen bei jeder fünften der insgesamt 35,6 Millionen Frauen die Familien den Ehemann aus. Bei 2,1 Millionen Hochzeiten wurde ein Brautgeld ausgehandelt, 1,7 Millionen Ehen zwischen engen Verwandten geschlossen. Allerdings nehme die Zahl dieser Art von Ehen mit steigendem Bildungsgrad stark ab.
Hauptgrund für Polygamie ist der Wunsch nach einem Sohn
Zudem gebe es trotz eines bestehenden Verbots der Vielehe rund 187.000 Fälle von Polygamie. Hauptgrund für einen Mann, sich eine Zweitfrau zu nehmen, sei vor allem der unerfüllte Wunsch nach einem Sohn. Darüber hinaus sind eine halbe Million Türkinnen nur nach islamischem Ritus verheiratet.
Diese so genannten Imam-Ehen sind rechtlich nicht anerkannt, in Ostanatolien jedoch weit verbreitet. Zahlreiche Frauen aus derartigen Ehen haben keine oder nur eine geringe Schulbildung. Die Autoren haben laut der französischen Nachrichtenagentur APF in ihrer Studie die Politik aufgefordert, gegen Kinderhochzeiten, Zwangs- und Vielehen vorzugehen.
Allerdings hat auch der türkische Staatspräsident Abdullah Gül von der islamischen Partei AKP, der aus der anatolischen Provinz Kayseri stammt, eine junge Verwandte geheiratet: 1980 nahm er seine Cousine Hayrünnisa Özyurt – damals erst 15 Jahre alt – zur Frau. (ro)