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Gänse und Sprache

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Die Weihnachtsgans hat gut geschmeckt. Das gibt uns Gelegenheit, zu Ehren des verspeisten Vogels etwas über Gänse und Sprache zu sinnieren. Das Wort „Gans“ ist viele Jahrhunderte alt. Vom Althochdeutschen über das Mittelhochdeutsche bis zum Neuhochdeutschen ist es unverändert überliefert worden. Seine uralten Ursprünge gehen bis ins Indogermanische zurück, was für Vogelnamen eher unüblich ist. Die „Gans“ ist also urverwandt mit dem lateinischen „anser“ und dem altgriechischen „???“ (dorisch „???“).

Der Name der Gans ist offenbar von den fauchenden Lauten abgeleitet, die das Tier ausstößt. Das Geschnatter der Gänse ist legendär geworden, nachdem 386 vor Christus die Gänse auf dem Kapitol in Rom einen Heidenlärm veranstaltet hatten. Die Gallier, die unter dem Heerführer Brennus in Rom eingefallen waren, hatten die Vögel unbeabsichtigterweise aufgescheucht, wodurch die Verteidiger des Kapitols gewarnt waren. Ob daraufhin bei den Galliern Gänsebraten auf den Tisch kam, ist nicht überliefert, aber anzunehmen.

Gallier scheiterten an den römischen Gänsen

Die Römer hatten die Sprache der Gänse verstanden. Schon lange reizt Menschen die Frage, wie es wäre, mit Gänsen zu sprechen. Selma Lagerlöffs Nils Holgerssohn ist in der Lage, mit Gänsen zu reden und sie zu verstehen, nachdem er in einen Wichtel verwandelt worden ist. Wenig vielversprechend und nachahmenswert erscheint allerdings die folgende Empfehlung aus Böhmen: Man köpfe eine weiße Schlange, stecke in deren Kopf eine Erbse und vergrabe ihn. Man verzehre die erste Schote des daraus gewachsenen Erbsenstrauchs. Sodann verstehe man die Gänsesprache.

Da gibt es freilich bessere Wege. Der Mensch, der sich am besten mit Gänsen unterhalten konnte, war natürlich der Verhaltensforscher Konrad Lorenz („Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“, 1949; „Hier bin ich – wo bist Du?“, 1988). Er wies zum Beispiel darauf hin, daß sich Haus- und Wildgans nicht nur durch ihr Aussehen unterscheiden, sondern auch durch die Sprache! Lorenz erklärt: „Hausgänse sind wie schwatzhafte Ratschweiber und müssen zu allem und jedem ihren Kommentar geben, die Graugans aber schnattert nur, wenn sie etwas Wichtiges zu sagen hat.“

„Wildgänse rauschen durch die Nacht“

Die Gans ist tief in unserer Sprache und Kultur verwurzelt. Aus dem gesungenen Wort ist die Gans nicht wegzudenken. Dabei denke ich nicht nur an das Lied „Oh du fette Weihnachtsgans (du hast so schöne Beine)“ von Chris Roberts. Von „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ (Ernst Anschütz, 1824) bis „Wildgänse rauschen durch die Nacht“ (Walter Flex, 1916): Nicht selten geht es um Leben und Tod, wenn wir über das gefiederte Tier singen. Auch unsere Weihnachtsgans hat ihr letztes Schnattern hinter sich. Dennoch lebt sie mit ihren Artgenossen weiter; in unserer Sprache, in unseren Liedern und Geschichten.

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