Es ist eine Tragödie, daß die Republik Irland nach ihrem kurzen Traum, in Europa vom Armenhaus zum Wachstumsprimus avanciert zu sein, staatsfinanziell so abgestürzt ist, daß sie unter Kuratel gestellt wird und damit wesentlich eine Autonomie verliert, die sich in tragischer Geschichte erst opferreich errang. Griechenland, das mit Blick auf eine verkürzt verstandene Antike als das Mutterland der Demokratie angesehen wird, geht es schon etwas länger so; und mindestens Portugal mag eine vormundschaftliche Maßregelung drohen, vielleicht auch Spanien, vielleicht gar Italien.
All diese Länder gerieten in Verschuldung, weil ihre Volkswirtschaften immense Beträge zur Rettung ihrer Banken aufwenden mussten. Ihrer Banken? Nein, diese Banken sind längst multinational strukturiert und vertreiben ein Spektrum von Produkten und Finanzdienstleistungen, das keiner mehr überblickt. Die Deutsche Bank ist also nicht etwa eine deutsche Bank im herkömmlichen Sinne, sondern akquiriert überall. Aber den Banken geht es gut. Sie sind mit öffentlichen, also steuerlichen Geldern beschirmt, sie machen wieder Kasse, sie können keine Wahlen verlieren, höchstens ein paar Kleinsparer, und an den Finanzmärkten darf natürlich weiter auf den Untergang von Staaten und auf Währungszerfall gewettet werden.
Für die schwächelnden Euro-Länder etabliert sich gerade ein dezent diskriminierender Begriff: Peripherie-Staaten. Eher zufällig stimmt das ja auch geographisch, aber es riecht hier doch die politische Wahrnehmung durch, daß es sich um Staaten zweiter Ordnung handelt. Wird ihnen jetzt wiederum mit EZB- und IWF-Krediten geholfen, von denen nicht klar ist, ob sie je rückzahlbar sind, so geschieht das, wird betont, gerade im Interesse Deutschlands, da Banken und Staaten über die Schulden so aneinander gefesselt sind, daß der Absturz des einen den anderen unweigerlich mitreißt.
Billige Propaganda
Wenn man den Euro überhaupt noch national färben kann, so waren es eben auch deutsche Euros, die an den europäischen „Peripherien“ verzockt wurden, und es ist die Währungsstabilität insgesamt, die in Gefahr ist, egal wer wo die Euroscheine gedruckt hat.
Thomas Steinfeld hat den Grundwiderspruch der europäischen Integration in einem brillanten Essay analysiert. Den Journalisten Gideon Rachman von der Financial Times zitierend, resümiert er: „Die einheitliche Währung wird vermutlich nicht bestehen können – und der Henker wird Deutschland sein, das mächtigste Land und die stärkste Wirtschaft in Europa.“ Weil es Deutschland letztendlich nicht hinnehmen kann, andere Volkswirtschaften zu sanieren, auch wenn deutsche Unternehmen und Banken, sofern es sie eben national faßbar noch gibt, dort Riesengewinne einstrichen. O weh, das ist er dann wieder, der geschmähte Gedanke an den Nationalstaat, den die Politik längst überwunden haben wollte.
Der Rest ist billige Propaganda, und zwar von Anfang an: Die europäische Integration mit der sie krönenden gemeinsamen Währung wäre nichts anderes als der Wunsch der Völker, als ein Garant des Friedens, ja als praktizierter Kantischer „ewiger Frieden“. Unfug! Schon mit der Montanunion und mit den Römischen Verträgen ist die EU bereits in ihrer historischen Anlage nichts, aber auch gar nichts anderes gewesen als ein den Bedürfnissen der Unternehmen und Banken Rechnung tragender Markt.
Die Bank gewinnt immer
Sie ist ein rein ökonomisches Konstrukt, das den Interessen des Großkapitals folgt, die in mehr oder weniger prosperierenden Jahren eben mit den Bürger- , also Konsumenteninteressen in Einklang zu bringen waren. EWG, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, das war noch ein alter, ehrlicher Begriff. Deshalb mußte er verschwinden. Die geradezu hypertrophe Bürokratie der EU und ihr kurioses Scheinparlament besorgen nichts anderes, als den alten Kontinent im Sinne der Wirtschaft und des Finanzmanagement möglichst verbraucherfreundlich einzunivellieren. Die Globalisierung verlange das so, und zwar derart drängend, daß dabei auf französische Kutterfischer ebenso wenig Rücksicht genommen werden könne wie auf ungenormt krumme Gurken.
Die Marketing-Strategie der EU kann den rein wirtschaftlichen Pragmatismus nicht herausstellen und suggeriert daher, man folge den Bedürfnissen der Nationen und Völker. Mitnichten. Die Nationen und Völker wurden bei der großen Integration in seltensten Fällen gefragt. Sie gewannen vielleicht mit Euro und EU einiges, aber sie stehen im Risiko, noch mehr zu verlieren, insofern ihr Schicksal nur mehr von Kapitalien, Börsenschwankungen und Währungsturbulenzen abhängig ist. Daß sie ihr eigenes Geschick nicht mehr bestimmen dürfen, begreifen gerade konsterniert die Peripherie-Staaten, aber auch das Zentrum, Deutschland, lernt seine Lektion. Weiter aber wird gelten: Die Bank gewinnt immer.