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Regression und Klima

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Regression und Klima

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Was ist der Unterschied zwischen sogenannten „Klima-Skeptikern“ und „Klima-Ignoranten“? Die Skeptiker sagen, es besteht keine Gefahr einer Erwärmung – und falls doch, ist sie nicht vom Menschen verschuldet.

Die Ignoranten hingegen meinen: „Wir können wie bisher weitermachen, weil wir trotz drohender Gefahr nicht auf Wachstum verzichten möchten.“ Aber die vordergründig verschobene Angst wirkt fort und führt zur Regression.

Wem das nicht einleuchtet, sollte sich unbedingt die Ausstellung „Klimakapseln“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe besuchen oder mittels Vorschau einen ersten Eindruck verschaffen. Dort haben Künstler aus aller Welt ihre Vision vom Überleben nach der Katastrophe exponiert.

Plastikblase

Peter Sloterdijks Feststellung, daß der Zeitgenosse auf das kommende Öko-Desaster mit dem „Gesetz der Einkapselung“ reagiere, findet restlose Bestätigung. Hier blüht in künstlichen Blasen, Hüllen, niedlichen Schutzzelten und Pflanzen-Ballons die totale Regression.

Geschützt, künstlich beatmet und ernährt wie ein Fötus soll der künftige Mensch von Lawrence Malsta in einer Plastikblase schweben; getreu dem Grundsatz: „Der Mensch ist seines Lebens froh – gewöhnlich nur als Embryo“ (Goethe), ohne Kontakte, Beziehung und Bewußtsein, als perfekter Soziopath.

Die alternativlosen Freimarktkünstler verraten ihren ungebremsten Willen zur Unterwerfung, den Ingo Vetter sogar Pflanzen unterstellt: „Labor der Anpassung“ heißt sein Exponat, das ein Bäumchen in künstlicher Folienwelt präsentiert.

Luftsprünge

Auch künftigen „Ausblendern“, die trotz Katastrophen-Szenario rosarot sehen möchten, kann mittels „Environment Transformer“ geholfen werden, mit einem Helm, der optische und akustische Signale der Außenwelt „verändert“, ins Gute, Wahre, Schöne transformiert.

Soviel Regression und Anpassungswut bis zur Selbstaufgabe führt zwangsläufig zur Ich-Schwächung, zum Minderwertigkeitsgefühl. Das läßt sich am besten durch die Diskriminierung anderer kompensieren. Und da bieten sich doch „sozial Schwächere“ an, zum Beispiel die Obdachlosen.

Aber auch denen will der Künstler Michael Rakowitz in klimaverseuchter Zukunft eine isolierende Rettungsblase spendieren, man ist ja kein Unmensch. Aber sein Zelt trägt den menschenfreundlichen Namen „paraSITE shelter“. Da macht das ramponierte Selbstbewußtsein doch gleich wieder Luftsprünge.

Todeswünsche

Mancher wird jetzt fragen: „Ja, sind diese Exponate denn ernst gemeint? Ist da nicht Ironie im Spiel?“ Eher nicht; schließlich sind Phantasien dieser Art schon seit langem im Umlauf. Man denke nur an Douglas Trumbus Science-fiction-Klassiker „Lautlos im Weltraum“ (1972) oder den Kuppelbau „Biosphere 2“ in Arizona.

Bleibt noch die schwimmende Insel „Lilypad“ zu erwähnen, eine Arche für das Überleben von Mensch, Tier und Pflanze in einer überfluteten Welt. Pech nur, daß der Psychoanalytiker Jacques Lacan die Insel schon vor Jahrzehnten als Symbol heimlicher Regressions- und Todeswünsche entlarvt hat. Womit der Großteil der Ausstellung passend beschrieben wäre.

Als Therapie für alle Beteiligten schlage ich vor, sich George A. Romeros neuen Zombie-Film „Survival of the Dead“ (Überleben der Toten) anzuschauen, der vorletzte Woche in unseren Kinos Premiere hatte.

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