„Dear Guido“, hub die EU-Außenministerin Catherine Ashton an. Zu Beginn dieser Woche wurde ihr Antwortbrief an Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) bekannt. Dieser hatte Anfang April in einem Schreiben an Ashton eine stärkere Berücksichtigung der deutschen Sprache im neuen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) gefordert.
„Dear Guido“: Diese anzügliche Anrede sagt schon eine ganze Menge darüber aus, wer in der Europäischen Union (EU) die Hosen anhat. Wie einen Schulbuben spricht die Baroneß Ashton of Upholland den deutschen Außenminister an. Sie glaubt anscheinend, es nicht nötig zu haben, ihren Respekt bekunden zu müssen.
Von der für diese Fälle eigentlich vorgesehenen Anrede „Seine Exzellenz“ zu „Dear Guido“ ist es ein gewaltiger Schritt nach unten. Gegen die platte Anrede aufzubegehren würde einem jedoch den Vorwurf mangelnder Lockerheit eintragen.
„Dear Guido“: Warum fängt die oberste EU-Diplomatin demonstrativ auf englisch an, um dann mit Deutsch fortzufahren? Das heißt doch mit anderen Worten: „Hör’ mal zu, kleiner Guido: Die Sprache der Diplomatie ist eigentlich Englisch. Doch für Dich mache ich diesmal eine Ausnahme, weil Du offenbar kein Englisch kannst. Aber in Zukunft, schreib Dir das gefälligst hinter die Ohren, wird Deine Sprache Englisch sein.“
Unvorstellbar, daß Westerwelle an die „liebe Catherine“ schreibt und dann auf englisch weitermacht. Es wäre eine unzulässige Taktlosigkeit. Umgekehrt wäre es höflicher: die Anrede in der Sprache des Angeschriebenen, den Text je nach Können wahlweise in der eigenen oder in der fremden Sprache.
„Dear Guido“: Diese aufdringliche Vertrautheit enthält die Erwartung, daß sich der Empfänger dankbar für die erwiesene Gunst zeigt. Diplomaten in Luxemburg betonten denn auch, daß sich Lady Ashton „trotz ihrer immensen Arbeitsbelastung rasch die Zeit für die auf deutsch formulierte Antwort genommen“ habe. Da unser Außenminister sein Amt ja nur in seiner Freizeit ausübt und die wirklich wichtigen Entscheidungen auch nicht von ihm getroffen werden, scheint es nur zu verständlich, daß hier die hohe EU-Bürokratie von ihrem Untergebenen entsprechende Dankbarkeit erwartet.
„Ich halte das für eine bedeutsame Erklärung“, ließ Westerwelle denn auch des Dankes voll verlauten. Bedeutsam in Ashtons Brief ist vor allem die folgende Stelle: „Ich stimme Ihnen zu, daß das Beherrschen mehrerer Fremdsprachen, darunter auch des Deutschen, eine Voraussetzung sein muß. Allerdings bin ich nicht sicher, inwieweit wir bereits präzisieren wollen, welche Sprachen dies sein sollen.“
Anders gesagt: Es bleibt dabei, daß Englisch und Französisch die Sprachen des neuen EU-Außenministeriums sein werden, mein lieber Guido.