BERLIN. Einen Monat nach dem gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen und dem Datendiebstahl vom Server des Klimaforschungszentrums der University of East Anglia geraten Klimaforscher erneut in Erklärungsnot: Ein kanadischer Forscher hat offenbar dem Weltklimarat der Vereinten Nationen IPCC einen schwerwiegenden Untersuchungsfehler nachgewiesen.
Wissenschaftler des IPCC sagten das Abschmelzen der Gletscher im Himalaja bis zum Jahr 2035 voraus. Doch Geograph Graham Cogley wirft den Forschern vor, Daten falsch und ungeprüft übernommen zu haben. Tatsächlich lagen Schätzungen vor, die den Rückgang des Eises um ein Fünftel bis zum Jahr 2350 vorhersagten.
Im Klimaforschungsbericht des IPCC von 2007 wird davon ausgegangen, daß ein Verschwinden der Himalaja-Gletscher bis 2035 „sehr wahrscheinlich“ sei. Auch könne ihre Gesamtfläche bis 2035 von derzeit 500.000 Quadratkilometern auf nur noch 100.000 Quadratkilometer schrumpfen, berichtet Spiegel Online.
Von allen Kontrollinstanzen unbemerkt
Dem Nachrichtenportal zufolge stieß Cogley bei Nachprüfungen auf einen Bericht der Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) als Quelle für die IPCC-Angaben. Der WWF wiederum habe sich nicht auf eine wissenschaftliche Untersuchung in einem von Forscherkollegen gegengelesenen Fachmagazin berufen. „Ich fand einen Artikel des populärwissenschaftlichen Magazins ‘New Scientist’ aus dem Jahre 1999, das einen indischen Gletscherforscher interviewt hat“, so der Geograph gegenüber Spiegel Online.
Durch weitere akribische Recherchen über die Suchmaschine Google entdeckte der Kanadier, der auch Mitautor des IPCC-Berichtes ist: die vom IPCC übernommene Jahreszahl 2035 beruht auf einem „Zahlendreher“. Der russische Gletscherforscher Vladimir M. Kotlyakov von der Russischen Akademie der Wissenschaften habe 1996 nach groben Berechnungen das Schrumpfen des Himalaja-Eises von 500.000 auf 100.000 Quadratkilometer bis zum Jahr 2350 angenommen.
„Es fällt mir schwer vorzustellen, wie sich ein so grober Fehler durch alle Kontrollinstanzen des IPCC durchsetzen konnte“, kommentierte Cogley laut Spiegel Online. Besonders habe ihn aufgeregt, daß mit einer solchen Fehlleistung die Glaubwürdigkeit des Gesamtberichts leide. „Dummerweise ist die Himalaja-Passage von der Öffentlichkeit so schnell aufgegriffen worden“, so Cogley. Der Schaden für den Weltklimarat IPCC sei deshalb besonders groß. (ru)