Politik ist Show. Was haben die deutschen Linken früher über Ronald Reagan geschimpft, den „Hollywood-Schauspieler aus Cowboy-Filmen“, der ungeeignet sei, das Amt des US-Präsidenten auszuüben. Inzwischen ist Schauspielerei in allen politischen Lagern gang und gäbe. Auch bei den Linken. Denken wir an Gerhard Schröder, der sich als Genosse der Bosse feiern ließ im Brioni-Anzug, um bald darauf als Holzmann-Retter aufzutreten und bodenständig „Hol’ mir mal ´ne Flasche Bier“ zu rufen. Er hat sich immer neu erfunden.
Auch Oskar Lafontaine spielt seine Rolle als Anwalt der kleinen Leute. Der Mann ist eine Karikatur, tritt als Volkstribun auf, der gegen Millionäre zu Felde zieht, um abends in seine eigene Riesenvilla nach Saarbrücken zurückzukehren. Früher war er mal für die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, heute ist er vehement gegen Hartz IV. Auch Lafontaine hat sich neu erfunden. Einer der größten Schauspieler unserer Zeit ist Gregor Gysi. Einen „Politclown“ nennt ihn die Berliner Zeitung heute in einem großen Portrait auf Seite 3 unter dem aussagekräftigen Titel: „Wer amüsiert, hat recht“.
Gestern Abend war der 61jährige in „Abgeordnet“ zu sehen, einer mehrteiligen SWR-Sendung, bei der bekannte Politiker einem Praxistest unterzogen werden. Während Wolfgang Bosbach in einer Jugendhaftanstalt und Renate Künast auf einem Bauernhof einen Tag arbeiten mußten, verbrachte Rechtsanwalt Gysi sein Praktikum auf einer Baustelle.
Gysi sah ziemlich ratlos aus
Die Moderation war auffällig unfreundlich. Gysi sei ein „Dampfplauderer“. So hieß es bereits in der Vorstellung. Und die Reporterin, die Gysi begleitende Moderatorin fragte mehrfach kritisch nach. Warum sollte noch jemand arbeiten gehen, wenn es noch mehr Sozialleistungen gäbe, fragte die Moderatorin mit Blick auf die Forderung der Linken, den Hartz-IV-Regelsatz auf 500 Euro zu erhöhen. Ein Familienvater mit zwei Kindern ohne Arbeit bekäme dann 2.500 Euro monatlich, einer mit Arbeit nur 1.600 Euro. Gysi empört: Neinneinneinneinneinnein.“ „Doch Herr Gysi, das ist nachgerechnet, fast tausend Euro mehr fürs Nichtstun.“ Sonst lassen sich Journalisten ja gerne mit irgendwelchen Phrasen abspeisen. Hier wurden dem Demagogen endlich mal seine falschen Zahlenspiele um die Ohren gehauen. Gysi sah ziemlich ratlos aus.
Noch wichtiger aber war die Brotzeit mit den neuen Kollegen: Gysi unter Bauarbeitern, bei der proletarischen Basis also. Wer aber dachte, er hätte ein leichtes Spiel, die Kumpels von der Baustelle für seine marxistischen Thesen gewinnen zu können, der sah sich getäuscht. Die neuen Kollegen des Linkspolitikers wollten von Gysis Klassenkampf („Wo kommen wir denn da hin, ich bau doch hier nicht für die Reichen Häuser“) wirklich gar nichts wissen.
Der Maurer Wendelin Dorer sagte: „Versprechen tut jeder viel, nur wenn’s dann letztendlich darauf ankommt, dann sind sie alle gleich.“ Auch die anderen Leute auf der Baustelle waren skeptisch. Dieses Beispiel hat mal wieder gezeigt: Viele einfache Leute durchschauen das Spiel der Gysis und Lafontaines. Sie wissen ganz genau, daß sie nur als Stimmvieh gebraucht werden. Die Linke rekrutiert ihren Nachwuchs längst eher an Universitäten als auf Baustellen. Mit echten Arbeitern haben die meisten Vertreter des selbsternannten Proletariats so wenig am Hut wie Mario Barth mit Literatur.