HANNOVER. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat verdachtsunabhängige Personenkontrollen vor Moscheen verteidigt. Er reagierte damit auf die Kritik des Generalsekretärs der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Ali Ihsan Ünlü. Dieser hatte beklagt, daß durch die Kontrollen „Muslime unter Generalverdacht“ stünden und daher die „nachbarschaftlichen Beziehungen“ der Moscheen gestört würden.
In einem Telefongespräch mit Ünlü habe Schünemann versichert, daß sich die Kontrollen nur gegen Extremisten richteten. Der Minister räumte einem Bericht der türkischen Tageszeitung Sabah zufolge ein, daß in der Vergangenheit die Verhältnismäßigkeit nicht immer beachtet worden sei. Schünemann sicherte jedoch zu, die Polizei werde „künftig auf die Befindlichkeiten der Moscheen und ihrer Besucher stärker Rücksicht nehmen“.
Die niedersächsische Landesregierung hatte bereits vor einem Jahr in ihrer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage der grünen Landtagsabgeordneten Filiz Polat solche verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen als ein „probates Mittel“ der Gefahrenabwehr bezeichnet.
Moscheen als „Treffpunkte potentieller Gewalttäter“
Wörtlich hieß es im Schreiben des Innenministeriums: „Die Erforderlichkeit derartiger Kontrollen im Umfeld von islamischen Gebets-, Vereins- und Kulturstätten gründet sich insbesondere auf die Erkenntnis deutscher Sicherheitsbehörden, daß sich potentielle islamistische Gewalttäter an bestimmten Treff- und Sammelpunkten aufhalten.“ Hierzu gehören nach Erkenntnissen der Ermittler auch „Moscheen und andere islamische Gebetsstätten sowie islamische Vereins- und Kultureinrichtungen“.
Laut Ministerium fanden in den Jahren 2004 und 2005 an jeweils fünf Terminen landesweite Kontrollmaßnahmen im Umfeld von islamischen Gebets-, Vereins- und Kulturstätten statt. 2006 und 2007 wurden jeweils an zwei Terminen in ganz Niedersachsen die Besucher solcher Einrichtungen kontrolliert.
Personenbezogene Daten würden nur dann gespeichert, wenn „weitere auswertungsrelevante Umstände“ hinzukämen: „Allein der Umstand des Antreffens einer Person im Rahmen einer Kontrolle führt nicht zur Speicherung“, heißt es in der offiziellen Antwort der Landesregierung.
Nicht auf bestimmte Moschee-Vereine beschränkt
Schünemann hat im Gespräch mit dem DITIB-Generalsekretär auch deutlich gemacht, daß künftig vor allen Moscheen in Niedersachsen Kontrollen stattfinden könnten. Dies bestätigte der Pressesprecher des Innenministeriums, Klaus Engemann, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.
Die Maßnahmen beschränkten sich auch nicht auf bestimmte Trägervereine, so Engemann. Dies habe sich in der Vergangenheit als erfolgreich herausgestellt. Niedersachsen war das erste Bundesland, das nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verdachtsunabhängige Kontrollen eingeführt hatte.
Aktuelle Zahlen, gegen wie viele Personen nach solchen Maßnahmen schon Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, konnte der Ministeriumssprecher nicht nennen. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes werden 3.180 Personen als Mitglieder „islamistisch-extremistischer Gruppe“ in Niedersachsen gezählt. (vo)