Formschinken mit einem Fleischanteil von unter 50 Prozent, kunstvoll aus Fischresten geformte „Meeresfrüchte“, „Schokoladenkekse“ ohne Schokolade: Die Hamburger Verbraucherschutzzentrale hat eine lange Liste von sogenannten Lebensmittelimitaten publiziert, die den Kunden in Supermärkten und Restaurants zu günstigen Preisen angeboten würden, ohne daß man sie hinreichend über ihren wahren Charakter aufkläre. Den Eigengesetzlichkeiten eines Sommerlochs gemäß ist diese „Enthüllung“ von der Politik begierig aufgegriffen worden. Die Ernährungsexperten der Bundestagsparteien überbieten sich nun mit markigen Sprüchen und radikalen Drohgebärden gegen die Lebensmittelindustrie, die als Buhmann die Finanzbranche abzulösen scheint.
Dabei ist das, was die Hamburger Verbraucherschützer an den Pranger stellen, weder sensationell noch neu. An Informationen in jeder erdenklichen medialen Form zu Ersatz- und Zusatzstoffen in Lebensmitteln und zu den dezenten Formulierungen, mit denen die Produzenten diesen Sachverhalt auf den Verpackungen etwas zu entdramatisieren versuchen, mangelt es nicht. Wer sich für dieses Thema interessiert, wird hier zu jeder Frage unkompliziert fündig.
Traditionell hegt in Deutschland aber nur eine verschwindend kleine Minderheit dieses Bedürfnis. Die aktuelle Industrieschelte macht sich ihren Standpunkt zu eigen und suggeriert, daß die Mehrheit der Verbraucher unmündig sei und das Falsche esse, obwohl sich dies auf sie, wie von niemandem bezweifelt wird, keineswegs gesundheitsschädlich auswirkt.
Diese bornierte und elitäre Attitüde darf in einer Demokratie aber nicht unwidersprochen bleiben. Denn tatsächlich gibt es gute Gründe dafür, daß so viele Konsumenten gerne auch zu Lebensmittelimitaten greifen, ohne sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. So ist nicht von der Hand zu weisen, daß diese oftmals besser als die „Originale“ schmecken, da ihre Aromen im Gegensatz zu naturbelassenen Produkten genau auf Kundenwünsche zugeschnitten sind. Diesen Genuß würde schmälern, wer allzu plakativ die tatsächlichen Bestandteile und Herstellungsprozesse in den Vordergrund stellt, ist es doch nicht nur der Gaumen, sondern auch der Verstand, der darüber entscheidet, ob einem etwas zusagt oder nicht. Nicht zuletzt ist der Preis ein schlagendes Argument. Der deutsche Durchschnittsverbraucher neigt nun einmal dazu, die Ausgaben für Ernährung im Zaum zu halten. Imitate geben ihm die Chance, an Konsumfreuden teilzunehmen, die ihm im Original viel zu teuer wären.