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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Landplage Fitneß-Clown

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Zu bedauern ist, daß die lateinische, auf den römischen Dichter Juvenal zurückgehende Redewendung „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“ meist nur verkürzt wiedergegeben wird. In Juvenals Satiren (10, 356) heißt es nämlich: „Beten sollte man darum, daß in einem gesunden Körper ein gesunder Geist sei.“

Und in der Tat ist einem bei der Konfrontation mit jenen, die ihre Fitneßbemühungen unübersehbar in den öffentlichen Raum meinen tragen zu müssen, nicht selten zum Beten zumute, erscheint doch der Geisteszustand mancher dieser „Bodyperformer“ als Mysterium, das sich jeder Vernunft entzieht.

So zum Beispiel bei jenen „Prime Time“-Joggern, die vornehmlich am Sonntagnachmittag, wenn die Fußgängerzonen oder Parkanlagen der Städte voll mit Flanierenden sind, im kompletten „Kampfanzug“, schwer mit sich ringend, durch die Menschenmassen schnaufen.

„Platz da, jetzt komme ich“

Kompletter „Kampfanzug“ heißt Laufschuhe Marke „Dynamic Power“ mit reaktivem Explosivturbo, heißt Kompressionsstrümpfe, heißt selbstatmende „Smartwear“ nach dem Zweischalenprinzip (die notfalls auch alleine weiterläuft) sowie ein voluminöser Trinkrucksack mit einem isotonischen Getränk auf dem Rücken. Und natürlich darf auch nicht die Vollverglasung in Form „stylischer“ Sonnenbrillen fehlen.

Nicht minder imposant: Futuristisch anmutende Freizeitradler auf ihren High-Tech-Rennmaschinen, die das Wettrüsten zum technisch unüberbietbaren Fahrrad kalten Auges aufgenommen haben und einfachen Autofahrern meist in der Mitte vielbefahrener Straßen demonstrieren müssen, was es heißt, mit einem „Carbon-Monocoque“ hart am Wind zu strampeln.

Wer es wagt, diese buntgedressten Helden der Landstraße anzuhupen, weil sie Überholmanöver schlicht unmöglich machen, dem sind mindestens ein Stinkefinger und unflätige Beschimpfungen sicher.

Der „normale“ Fahrradfahrer hingegen sieht sich meist mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert, nämlich mit wildrudernden, sonnengegerbten und spärlichst bekleideten Inlineskatern (früher Rollschuhfahrern), deren pitbullähnliche Körpersprache vor allem eines ausdrückt: „Platz da, jetzt komme ich.“

Spaziergänger-Sport

Deren verschärfte Variante, der sogenannte „Nordic Inlineskater“, operiert obendrein mit zehn Meter langen Stöcken, die mehr oder weniger wie mittelalterliche Spieße eingesetzt werden. Mancher Passant, der lebend an dieser Klientel vorbeigekommen ist, soll danach das Beten wiederentdeckt haben.

Ein Fall für sich sind die Heerscharen von „Nordic Walkern“, die meist lautschnatternd in Gruppen unterwegs sind und ihre Tätigkeit, wer immer ihnen dies auch eingeredet hat, für Leibesertüchtigung halten. Deshalb bedarf es einer entsprechenden Ausrüstung, um der Umwelt zu demonstrieren, daß es sich hier tatsächlich um Sport handeln soll:

„Nordic Walker“, die zum Spazierengehen zwei Stöcke benötigen, was in etwa Radfahren mit Stützrädern für Erwachsene entspricht, verzichten ungern auf Verpflegungsgürtel, Pulsmesser, Stirnlampe und andere überlebensnotwendige Accessoires.

Nicht zu übersehende Aversionen hegen sie allerdings gegen deutlich schnellere Dauerläufer, denen sie, indem sie möglichst alle nebeneinander laufen, schon aus prinzipiellen Erwägungen keine Chance zum Passieren geben – eine „narzißtische Kränkung“ könnte womöglich die Folge sein.

Die Zeit heilt manche Geistesverwirrung

Stichwort Narzißmus. „Da der Narzißt“, so konstatierte der 1994 verstorbene US-Kulturkritiker Christopher Lasch, „über besonders wenig innere Reserven verfügt, erwartet er von anderen eine Bestätigung seines Selbstwertgefühls. Er braucht Bewunderung für seine Schönheit, seine Anziehungskraft … Attribute, die gewöhnlich im Laufe der Zeit dahinwelken.“

Dagegen aber hilft weder „Smartwear“ noch „Bodyperforming“ und schon gar kein Pulsmesser. So gilt auch hier: Die Zeit heilt manche Geistesverwirrung. Auf diese Weise finden unsere Gebete womöglich doch Gehör. 

P. S.: Wer diesen Blog gelesen hat, wird bemerkt haben, daß schweren Herzens auf das liebgewonnene 68er-„Bashing“ verzichtet wurde. Hoffentlich ist das Ganze deshalb nicht zu fad ausgefallen.

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