Wieder einmal schien der Feldzug ganz nach Napoleons Wünschen zu verlaufen. Triumphierend schrieb er am 21. April 1809: „Ich sage nur ein Wort. Die Tage vom 19. und 20. waren für die österreichische Armee das, was der Tag von Jena für die preußische war.“ Tatsächlich hatten die Österreicher eben bei Abensberg eine schwere Niederlage erlitten; weitere Schlappen folgten, so am 22. April bei Eggmühl und am 23. bei Regensburg. Damit zerschlugen sich alle Hoffnungen der Habsburgermonarchie auf eine europaweite Revolte gegen Napoleons Zwangsherrschaft.
Am 9. April 1809 begann die österreichische Armee unter dem Oberbefehl des Erzherzogs Karl, eines jüngeren Bruders von Kaiser Franz I., ihren Angriff über den Inn nach Bayern, dem Verbündeten Frankreichs. Doch der Vormarsch erfolgte so zögernd, daß es Napoleons beweglicher Kriegführung rasch gelang, den Gegner auszumanövrieren und nach Osten zurückzuschlagen. Am 13. Mai zog der Franzosenkaiser in Wien ein.
Der antinapoleonische Enthusiasmus beflügelte
Doch dann verlief einiges nicht nach Plan. Während Karl sich in das Areal südlich des Böhmerwaldes zurückzog, versuchten Napoleons Generale vergeblich, ein 20.000 Mann starkes Hilfskorps abzuschneiden. Es stand unter dem Kommando von Johann Freiherr von Hiller, einem Veteranen aus den Türkenkriegen. Ihm gelang es, über 300 Kilometer und unter heftigen Gefechten rechts der Donau zu marschieren und sich am 16. Mai mit den Hauptkräften Karls zu vereinen. Der Erzherzog rückte nun auf dem Marchfeld nördlich von Wien vor und bezog Stellung einige Kilometer vor den Dörfern Aspern und Eßling (heute Teile des 22. Wiener Stadtbezirks). Beide Heere trennten nur zwei Donau-Arme.
Napoleon sah eine günstige Gelegenheit, seinen Gegner, den er wegen vorausgegangener Niederlagen für demoralisiert hielt, anzugreifen und zu vernichten. Dabei unterschätzte er sowohl das Feldherrentalent des 37jährigen Erzherzogs als auch die Standhaftigkeit der Österreicher. Karl wirkte seit Jahren als Militärreformer. Mit seiner „Konskriptions- und Rekrutierungsvorschrift“ von 1804 und dem Aufruf zur Bildung einer Landwehr für die Landesverteidigung 1808 unternahm er wichtige Schritte zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Das Kriegsheer erlangte eine Stärke von 360.000 Mann. Was den Milizionären an taktischer Schulung und Marschtraining fehlte, machten sie durch ihren antinapoleonischen Enthusiasmus häufig wett.
Am Mittag des 20. Mai begann Napoleon die ersten Kontingente seiner 90.000 Mann zählenden Streitmacht über Pontonbrücken bei der Insel Lobau ans Nordufer der Donau zu schicken. Sein Marschall Masséna besetzte Aspern, Marschall Lannes das Dorf Eßling östlich davon. Es folgte die Gardekavallerie unter Marschall Bessiéres. Zehn Kilometer nördlich marschierte am 21. Mai im Morgennebel die kaiserliche Armee auf, etwa 80.000 Mann zählend. Erzherzog Karl wartete ruhig ab, bis genügend Franzosen über den Fluß gesetzt waren, so daß sich ein Angriff lohnte. General Hiller eröffnete ihn kurz nach 13 Uhr gegen Aspern. Gleichzeitig ließen seine Ingenieure schwere Baumstämme und steinbeladene Kähne flußabwärts hinuntertreiben. Sie zerstörten mehrere Pontonbrücken und beeinträchtigten den Truppennachschub des Feindes erheblich.
Nachdem die Kaiserlichen Aspern erobert hatten, setzte Masséna eine Attacke von sechs Regimentern schwerer Reiterei an. Ihr schockartiger Angriff gegen Infanterie hatte bisher immer zum Erfolg geführt. Karls Regimenter aber ließen die Kürassiere bis auf 15 Schritt herankommen und feuerten dann ihre Gewehrsalven ab. Es war das erste Mal, daß Infanterie einen von Kürassieren vorgetragenen Reiterangriff erfolgreich abwehren konnte – ein Geschehen, das sich 1815 bei Waterloo in größeren Dimensionen wiederholen sollte.
Am Abend des 21. Mai waren die Franzosen halbkreisförmig vor dem Donau-Ufer zusammengedrängt. Dennoch entschloß sich Napoleon, am folgenden Tag wieder anzugreifen. Über die reparierten Pontons marschierten 38.000 frische Soldaten bis drei Uhr früh nach Norden. Masséna griff Aspern an, während Lannes die Österreicher gegen Eßling trieb. Hier kam es zur Krisis der Schlacht, und Karl begegnete ihr auf bemerkenswerte Weise: Er ergriff eine Fahne des Infanterieregiments Freiherr von Zach Nr. 15 und ritt seinen Männern voraus in den Kampf. Von neuem Mut erfüllt, drangen die Österreicher wieder vor. Wenig später wurde Marschall Lannes tödlich verwundet. General Hiller erstürmte Aspern, das zum sechsten Mal den Besitzer wechselte. Er sei nun endgültig „der Meister von Aspern“ meldete er stolz.
Napoleon verlor ein Drittel seiner Streitmacht
Die Kräfte der Franzosen waren erschöpft. Und Napoleon mußte kurz nach 12 Uhr den Rückzug befehlen. Der Erzherzog beging nicht den Fehler, die Feinde über lebensgefährlich unsichere Pontons zu verfolgen. Manche tadelten ihn dafür. Karl erkannte, daß es wichtiger war, die Kampfkraft seiner Armee zu erhalten. Napoleon verlor ein Drittel seiner Streitmacht und brauchte sechs Wochen, um eine Revancheschlacht vorzubereiten, die er bei Wagram ebenso gewann wie den gesamten Feldzug von 1809. Bedeutend an den Kämpfen bei Aspern und Eßling war weniger der militärische als der moralische Aspekt.
Napoleons Nimbus als unbesiegbarer Feldherr war nachhaltig erschüttert. Er selbst versuchte das zu relativieren, indem er europäischen Monarchen eine geschönte Variante der Schlacht präsentierte, „damit nicht schlimme Gerüchte, die der Feind verbreiten könnte, sie in Unruhe versetzen“.
Foto: Johann Peter Krafft, „Erzherzog Karl in der Schlacht bei Aspern“, Öl auf Leinwand 1812: Napoleon ließ über den Schlachtverlauf eine geschönte Variante in Europa verbreiten