Nach den Regeln der kommunistischen Staatsideologie besaß die aus der Vereinigung von KPD und SPD entstandene SED in der ehemaligen DDR als Partei der Arbeiterklasse ein grundsätzliches Recht auf die Herrschaft. Um dem diktatorischen Charakter des Systems zumindest eine Scheinlegitimation zu geben, bediente sich die SED seit 1950 des Einheitslistensystems nach sowjetischem Muster. Dieses garantierte der Staatspartei nicht nur die absolute Mehrheit an parlamentarischen Mandaten, sondern auch die vollständige Kontrolle über die unter massivem Druck zu bloßen Erfüllungsgehilfen degradierten ehemaligen bürgerlichen Parteien.
Im Gegensatz zu Polen und der Sow-jetunion, wo Ende der achtziger Jahre erstmals sporadisch auch die Aufstellung von Alternativkandidaten möglich war, wurde in der DDR bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 starr am alten System festgehalten. Dennoch konnte sich die DDR der unter Gorbatschow eingeleiteten „Glasnost“ und „Perestroika“-Politik nicht vollständig entziehen. So wurde erstmals den Kandidaten empfohlen, sich in öffentlichen Diskussionen den Fragen der Bürger zu stellen. Trotz einer flächendeckenden staatlichen Überwachung der Veranstaltungen durch Staatssicherheit und Betriebskampfgruppen war es damit Oppositionellen möglich, auf kommunale Mißstände hinzuweisen. Zudem wurde von ihnen die Nichteinhaltung von Wahlversprechen kritisiert.
Von nachhaltiger Bedeutung sollte sich jedoch der Plan von Oppositionsgruppen erweisen, erstmals in mehreren Städten und Gemeinden die Stimmenauszählung komplett zu kontrollieren. Bereits bei der DDR-Volkskammerwahl von 1987 waren in einzelnen Wahlbezirken derartige Versuche unternommen worden. Allerdings ließ sich damals aufgrund der geringen Anzahl von Nachprüfungen das offiziell verkündete Ergebnis noch nicht grundsätzlich widerlegen.
Im Mai 1989 gelang hingegen in mehreren Stadtbezirken Berlins eine vollständige Kontrolle der Auszählung. Dabei wurden schnell beträchtliche Widersprüche offensichtlich: So wurde im Bezirk Friedrichshain eine Gesamtzahl von 71.700 abgegebenen Stimmen registriert. Doch von offizieller Seite wurden danach 85.377 abgegebene Stimmen gemeldet. Ähnlich deutliche Abweichungen waren im Hinblick auf die Gesamtzahl der Zustimmungen und erkennbaren Ablehnungen zur Einheitsliste erkennbar. Obwohl insgesamt laut Auszählung nur 83 Prozent dem Wahlvorschlag zugestimmt hatten, gab Politbüro-Mitglied Egon Krenz die Zahl der Bestätigungen mit 98,85 Prozent an. Damit lag zum ersten Mal ein tatsächlicher Beleg für eine Wahlfälschung vor.
Bereits vor der Wahl war vom Zentralkomitee der SED in Absprache mit dem MfS jedoch beschlossen worden, daß die Staatsanwaltschaften Anzeigen nach Paragraph 211 (Wahlfälschung) zunächst kommentarlos entgegennehmen sollten. Nach einigen Wochen sollte den Antragstellern von den Anwälten persönlich mitgeteilt werden, daß sich „keinerlei Anhaltspunkte“ für Wahlfälschungen ergeben hätten, der genaue Wortlaut war vorgegeben. Zudem sollte zu jedem einzelnen Gespräch ein Aktenvermerk erfolgen, um dem Staatssicherheitsdienst genaue Rückschlüsse über die Antragsteller und ihre Motive zu liefern.
Doch dieses scheinbar perfekt ausgeklügelte System versagte in der Praxis kläglich. Ausgerechnet ein Teil der äußerst regimetreuen Staatsanwälte zeigte sich in dieser Situation überfordert und auf Nachfragen nicht vorbereitet. Dadurch wurden die Bemühungen zur Vertuschung der Manipulationen offensichtlich.
Obwohl eine genaue Überprüfung des Gesamtergebnisses nie stattfinden konnte, da bereits im Frühjahr 1989 die Stimmzettel vernichtet wurden, war mit den Auszählungskontrolle der Nachweis erbracht, daß der Vorwurf der Wahlfälschung berechtigt war. Damit hatte die Oppositionsbewegung einen wichtigen Sieg errungen, die SED und die staatlichen Institutionen büßten in Teilen der Bevölkerung ihre Legitimation ein.
Als am 4. Oktober 1989 Vertreter von sieben oppositionellen Gruppen in einer privaten Wohnung in Berlin-Lichtenberg die Grundlagen für eine demokratische Wiederholung der Kommunalwahl ausarbeiteten, zu denen auch die Kontrolle durch die Uno zählte, ahnten die meisten Beteiligten nicht, daß bereits wenige Wochen später die Macht des alten Regimes endgültig gebrochen würde. Mit dem immer stärkeren Ruf nach der Wiederherstellung der nationalen Einheit wurden derartige Pläne obsolet.
Erst am 18. März 1990 hatten die Mitteldeutschen nach vielen Jahrzehnten wieder die Möglichkeit, bei einer freien Wahl ihre Stimme zur Geltung zu bringen.