Hier kommt Deutschland: Geht’s noch peinlicher? Ein schwuler US-Amerikaner s(w)ingt auf englisch zu US-amerikanischer Musik im Stil der vierziger Jahre, während sich eine US-amerikanische Pornodarstellerin auszieht. Der Musiktitel ist ebenso treffend wie nichtssagend: „Miss Kiss Kiss Bang“. Das ist der „deutsche“ Beitrag für den diesjährigen „Eurovision Song Contest“ am Sonnabend, vorgetragen von den Amerikanern Oscar Loya und Heather Renée Sweet alias Dita von Teese.
„Hauptsache, es klingt nicht deutsch“, kommentierte der Tagesspiegel. Nichtdeutsche vertreten in nichtdeutscher Sprache Deutschland – das Land, das nach seiner Sprache benannt ist. Sie stellen unser Land als amerikanische Balla-balla-Besatzungszone ohne eigene Kultur dar, die in ihrer Entwicklung vor sechzig Jahren stehengeblieben ist. Dieser Eindruck verstärkt sich durch den Rückgriff auf die amerikanische Musik der vierziger Jahre. Ralph Siegel ätzte zur Dita-von-Teese-Verpflichtung: „Der Weg von ,Ein bißchen Frieden‘ bis zu ein bißchen Striptease war ein langer Weg nach unten. Toi, toi, toi.“
Wer ist für diese peinliche Vorstellung verantwortlich? Diesmal gab es in Deutschland keinen Vorentscheid mittels Zuschauerabstimmung. Statt dessen entschied ein Preisgericht des Norddeutschen Rundfunks mit folgender Zusammensetzung: Plattenverkäufer Heinz Cannibol, Schlagersänger Guildo Horn, die ehemalige Deutschland-sucht den-Superstar-Jurorin Sylvia Kollek, NDR-Redakteur Ralf Quibeldey und NDR-Moderator Peter Urban.
Mit Englisch ist der Erfolg keineswegs garantiert
Um Mißverständnisse auszuschließen: Jeder sollte sich geistig so entblößen dürfen, wie es seiner Verfassung entspricht. Doch wenn er in der Verantwortung steht, der Welt deutsche Kultur und Identität zu vermitteln, dann hat jeder Deutsche das Recht, sich davon abzuwenden und für das andere, das bessere, das eigentliche Deutschland einzutreten.
Der Mißstand im Grand Prix/Eurovision Song Contest entsteht dadurch, daß der wirtschaftliche Erfolg wichtiger als die musikalische Darstellung des Landes genommen wird. So hoben die Veranstalter 1999 die Beschränkung auf, in der Muttersprache singen zu müssen, „um der Plattenindustrie mehr Anreize zu geben, international erfolgreiche Titel und Interpreten ins Rennen zu schicken”.
Doch ist mit Englisch der Erfolg keineswegs garantiert. Die auf englisch vorgetragenen Stücke aus Deutschland fielen regelmäßig durch. Die Hälfte der Teilnehmerländer schickt in diesem Jahr Lieder ins Rennen, die in einer anderen Sprache als Englisch gesungen werden. Viele Länder versuchen, mit landestypischen Rhythmen und Klängen zu punkten. Wohl kein anderes Land als Deutschland trägt seine Lieder mit einer solchen Selbstverleugnung vor.
Kann man auf deutsch weltweit keinen Erfolg haben? Selbst der Produzent des diesjährigen „deutschen“ Beitrags, Axel Christensen, rühmt die Vielsprachigkeit seines Sängers und behauptet: „Wenn man weltweiten Erfolg haben möchte, sollte man Spanisch, Englisch, Deutsch und Portugiesisch sprechen können, sonst ist der Markt unheimlich klein.“ Auf deutsch war Christensen sogar schon erfolgreich, und zwar mit dem Lied „Du hast den schönsten Arsch der Welt“. Seufz. Also, noch einmal zum Mitschreiben: Hier geht es zuerst um die Darbietung unseres Landes, erst danach um Erfolg. Lieber mit Selbstachtung den Sieg verspielen als mit Selbstverleugnung die Ehre verlieren.