HAMBURG. Zum Auftakt des sogenannten Hamburger „Ehrenmord“-Prozesses vor dem Hamburger Landgericht hat die Staatsanwaltschaft nun auch Anklage gegen den Vater der im vergangenen Jahr von ihrem Bruder ermordeten 16 Jahre alten Morsal O. erhoben. Er werde der „schwerwiegenden Misshandlung Schutzbefohlener“ verdächtigt, hieß es gestern zur Begründung.
Zusammen mit seinen anderen Kindern und mit Billigung seiner Frau soll der Afghane seine Tochter jahrelang geschlagen und gegängelt haben. Als Grund hierfür wurde der angeblich zu westliche Lebensstil Morsals vorgeschoben, welcher den kulturellen sowie ethnischen Traditionen der Familie widerspräche.
Aufgrund ihres offenen Umgangs mit jungen Männern hätte es „Gerüchte gegeben, sie würde anschaffen gehen“, ließ eine Zeugin verlauten. Sowohl gegen den Vater als auch gegen den Bruder des Opfers wurde bereits seit November 2006 ermittelt. Die meisten Fälle mussten jedoch aufgrund der Zeugnisverweigerung Morsal O, fallen gelassen werden.
Mit 23 Messerstichen getötet
Unterdessen gestand der Bruder der Ermordeten seine Taten weitgehend ein. Er wird beschuldigt, seine Schwester im Mai 2008 auf einem Parkplatz im Hamburger Stadtteil St. Georg mit 23 Messerstichen getötet zu haben. Die Verteidigung bestreitet, daß der Mann seine Schwester ermorden wollte.
Der Afghane, der von der Polizei als „Intensivtäter“ und von seiner Freundin als „hochgradig aggressiver Typ“ beschrieben wird, sei bei der Tat „eingeschränkt schuldfähig“ gewesen und habe „im Affekt“ gehandelt, so einer seiner beiden Anwälte. Gegen den Täter, welcher aufgrund seines Auftretens sowie seines exzessiven Alkohol- und Kokainkonsums immer wieder polizeilich auffällig wurde, wird neben der Tötung der 16jährigen ebenfalls noch wegen schwerer Körperverletzung sowie der gemeinschaftlichen Vergewaltigung einer jungen Afghanin im November 2007 ermittelt.
Als Ehrenmorde bezeichnete Straftaten wurden in den vergangenen Jahren in Deutschland vermehrt registriert, jedoch existiert keine offizielle Statistik. In Deutschland werden jährlich zwischen zehn und zwanzig solcher Taten bekannt, weltweit etwa 5.000. Da die Morde jedoch meist als Suizide vertuscht und vor Gericht nicht behandelt werden, gehen Experten von einer bis zu zwanzigfachen Dunkelziffer aus.